Der italienische Künstler und Provokateur Maurizio Cattelan hat einen kniend betenden Adolf Hitler in der Größe eines Kindes im Warschauer Ghetto platziert. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum spricht von einem geschmacklosen Missbrauch der Kunst, die Polen von einem Skandal. Deutsche Antisemitismus-Experten und der Zentralrat der Juden in Deutschland üben sich in Schweigen.
Der Provokateur verteidigt sich mit Spiritualität. Er habe an Willy Brandt gedacht, der vor über 40 Jahren in Warschau vor dem Monument im Andenken an die Opfer der Schoah gekniet hat.
Den Anhängern Willy Brandts dürfte die Statue nicht gefallen. Brandts Geste darf nicht auf Hitler übertragen werden, auch nicht spirituell. Wenn wir die Statue unaufgeregt betrachten – unaufgeregt ist in der deutschen Gesellschaft ein positiv besetztes Modewort – so werden wir ihre Vorteile erkennen. Mehr als 40 Jahre nach Brandt und mehr als 65 Jahre nach dem Ende des Holocaustes ist es an der Zeit, Realitäten anzuerkennen, die der mutige Künstler spirituell andeutet.
Im heutigen Deutschland wird gewissenhaft zwischen toten Juden und lebenden Israelis selektioniert. Viele gute Bürger kritisieren an 365 Tagen (in Schaltjahren an 366 Tagen) Israel wie Antisemiten, um widerspruchsfrei nahtlos einmal jährlich um die Zeit von Luthers Geburtstag der von ihren Vorfahren vergasten Juden öffentlich zu gedenken und zuweilen zu bereuen. Der kniend betende Hitler ist ein wunderbares Symbol, welches diese scheinbaren Gegensätze elegant spirituell überbrückt: Der Nazi bereut, ohne zu handeln.
Hätten sich die Engländer damals seinem vom Deutschen Volk geliebten Feldmarschall Rommel nicht in den Weg gestellt, so gäbe es heute keinen Nahostkonflikt, zumindest keinem, an dem Juden beteiligt wären. Das jährliche Gedenken um den 9. November an tote Juden wäre absolut aufrichtig und ohne Misstöne von Seiten unbelehrbarer Zionisten, die aus dem Holocaust nichts gelernt haben.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den die spirituelle Statue ermöglicht, muss angesprochen werden. Die NPD könnte ab sofort sowohl an den öffentlichen Juden-Erinnerungen, als auch an Israel kritischen Demonstrationen teilnehmen, die kleine Hitler-Ikone mitführen. Zumindest christliche Israelkritiker, sicherlich auch Juden, die keine besonders große Freunde der Israelischen Siedlungspolitik sind, wären damit einverstanden. Dank Hitler-Ikone würden Neonazis die Mitte der Gesellschaft erreichen. Die Unterschiede zwischen der Ideologie der NPD und der der guten Bürger, inclusive der guten Nicht-Bürgerlichen, würden weiter zusammenschrumpfen. Das NPD-Verbot wird zurückgezogen werden, Politiker aller Parteien würden sich die Blamage ersparen, bevor das Verbot der NPD erneut vom höchsten Gericht wegen Schlamperei abgeschmettert werden wird. Die Selektion zwischen Judentum und Israel wird der NPD mir Bravour gelingen, genauso gut oder besser als den übrigen Parteien und Israel kritischen Organisationen.
Doch halt! Einen gewichtigen Punkt dürfen wir nicht übergehen: Auch wenn die Neonazis keine Antisemiten mehr sein werden, nur anerkannte und geachtete Israelkritiker, so ist nicht sichergestellt, dass sie vom ordinären Fremdenhass Abstand nehmen werden. Sie werden zwar genauso wenig gegen Juden hetzen wie andere gute Organisationen, doch wie werden sie sich gegenüber Türken, Muslimen, Arabern, Slawen, Afrikanern verhalten? Werden sie auch hier die Sitten der guten Bürger übernehmen? Nicht sicher!
Deshalb, lieber Künstler Maurizio Cattelan, bitte ich, den kniend betenden Adolf Hitler aus dem Warschauer Ghetto zurückzuholen. Die Zeit ist noch nicht reif. Wir sollten zumindest die Überwindung der Eurokrise und der Energiewende abwarten.
Wenn dieser Cattelan wenigstens den Herrn Augenstein auf Knien dargestellt hätte. Ach ja.
Dass er nicht den Herrn Achmadinedschad oder gleich den Herrn Mohammed dargestellt hat, kann man ihm ja noch verzeihen, denn wer möcht‘ schon selber möglicherweis‘ so enden wie das Warschauer Ghetto?
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