Soviel du brauchst (2. Mose 16,18)

„Soviel du brauchst“ lautet die Losung des diesjährigen Evangelischen Kirchentages.

„Soviel du brauchst“ klingt nach Urlaub, nach „all inclusive“. Der Hotelgast trägt den überbordenden Teller an seinen Tisch. Ist der Teller leer gegessen, geht der Soviel-du-brauchst-Tourist erneut zum Buffet. Das Spiel wiederholt sich solange bis Essen auf dem Teller bleibt.

Nein, so wollen die Evangelischen ihre Losung nicht verstanden wissen. „Soviel du brauchst“ weckt bei ihnen das bürgerschaftliche Engagement für Schwächere und die Frage nach dem richtigen, verantwortungsvollen Wirtschaften. Die Losung verweist auf das Thema der Integration von Menschen aus anderen Kulturen und Regionen der Welt sowie auf den Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen.

Angestellte evangelischer Betriebe, der Diakonie, können die Sichtweise des Kirchentages nicht nachvollziehen. Sie beklagen die schlechte Bezahlung im Vergleich zu kommunalen Kliniken, das Verbot von Gewerkschaften und Streiks, den Import von Ärzten aus armen Ländern, wo Ärzte noch dringender benötigt werden, und den massiven Einsatz von Outsourcing und Leiharbeitern, um das Billiglohnsystem zu sichern. Viele hart erkämpfte bürgerliche und demokratische Rechte sind in der Evangelischen Kirche wie einst in der DDR außer Kraft gesetzt. „Soviel du brauchst“ heißt übersetzt für Angestellte evangelischer Betriebe „Sowenig du brauchst“.

Genug der Fakten, deren Aufzählung jegliche Polemik in den Schatten stellt. Schlagen wir die Bibel auf und lesen wir selber nach, was Moses unter „soviel du brauchst“ verstanden hat.

Es handelt sich um die Essensration, das Manna, welches Gott den von Ägypten ins gelobte Land, dem späteren Israel, wandernden Israeliten, den späterem Juden, gewährt. Wie im All- Inclusive-Hotel findet der am Morgen Aufwachende sein Manna. Da es nichts anderes als Manna gibt, nimmt die Wunderdroge jeden gewünschten Geschmack mit Ausnahme von Schweinfleisch an. Der Wüstenwanderer braucht jedoch nur ein einziges Mal seinen Teller zu beladen. Alles, was zu viel ist und er nicht vertilgen kann, verdirbt. Was nicht heißt, dass er trotzdem sich mehr auflädt als er essen kann. Wie in guten koscheren Hotels üblich, werden am Freitag zwei Portionen bereit gestellt, die bis in den Schabbath reichen (müssen).

Nach diesem Originalwissen ist der Sinn der Losung nicht mehr verständlich. Moses geht es nicht um das Engagement für Schwächere und die Frage nach dem richtigen Wirtschaften. Er will, dass Gottes Gebot, welches er seinem Volk übermittelt, ohne übliche Diskussionen und talmudische Spitzfindigkeiten befolgt wird. Die Integration von Menschen aus anderen Kulturen und Regionen der Welt sowie der Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen interessieren ihn nicht. Er hat genug mit der Integration der Israeliten untereinander zu tun. Dialog mit anderen Religionen ist für Moses Blasphemie.

Auf Nachhaken lenkt die Kirchentagleitung ein. „Soviel du brauchst“ sei das göttliche Prinzip vom täglichen Brot. Gott sorgt für dich, es ist so viel da, wie du brauchst – aber auch: Gebrauche nur so viel, wie da ist!

So wandelt sich „Soviel du brauchst“ in „Gebrauche nur so viel, wie da ist“, wie Wein zu Wasser. Für den Schwächeren, um den der Kirchentag sich engagiert, lautet somit die Losung:

Sei zufrieden mit den Brotkrümeln, die für dich da sind.

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6 Antworten zu Soviel du brauchst (2. Mose 16,18)

  1. zweitesselbst schreibt:

    Ja, ich versteh das ungefähr so, als wenn erwartet würde, den Post zu liken. 😎

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  2. Rika schreibt:

    Schon interessant, wie evangelische Theologen sich die biblische Botschaft zurechtbiegen!
    Bei der besagten Manna-Versorgung ging es ausschließlich um ESSEN! Nicht um die Bewahrung der Schöpfung, um Windräder oder Biosprit, Nächsten- und/oder Fremdenliebe oder sonstige sozial erwünschte Friedfertigkeiten…..
    Vielleicht hätten die Organisatoren des Kirchentags gut daran getan, eine andere Bibelstelle zur Basisinformation für ihr Motto heranzuziehen, oder sich gar ganz von der Bibel als dem Urgrund ihrer (gemeint sind die KTO) moralischen Vorstellungen zu verabschieden und sich statt dessen auf Brecht zu beziehen, der auch hübsche Vergleiche von frEssen und Moral zu bieten hat….

    Ich habe auch in einer diakonischen Einrichtung gearbeitet und fand die Bedingungen an meiner Schule im Vergleich zu denen an öffentlichen Schulen geradezu paradiesisch!!!! Sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Schüler!!! Was das Gehalt anging, nun, das ist an den Schulen meistens dem öffentlichen Dienst angeglichen, weil ja die Lehrergehälter vom Staat finanziert werden. Aber alle anderen Belange kann meine ehemalige Schule selbst in die Hand nehmen und damit ist sie einfach um Meilen besser als jede staatlich/ kommunale Schule je sein kann!
    Ich kann also nicht klagen, zumal ich außerdem jetzt in meinem Ruhestand ein zusätzliches Altersruhegeld beziehe – von der kirchlichen Zusatzversorgung, die es für Angestellte in diakonischen Einrichtungen gibt….. Ja, ja, jede Medaille hat zwei Seiten…. 😉

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    • Rika schreibt:

      Ach, ja, damit gar nicht erst bei „Schule“ Hintergedanken aufkommen wie „elitäres Bildungssystem“, ich arbeitete an einer Förderschule für Schüler mit emotional-sozialem Förderbedarf. Früher hießen diese Schulen „Sonderschule für Verhaltensgestörte“ und das hat wenig mit Elite, dafür um so mehr mit Herausforderung und Anstrengung und sehr viel mit Geduld, Liebe, Verlässlichkeit, Verständnis und Konsequenz gleichermaßen zu tun! 🙂 Und es verwundert vermutlich nicht, dass dieser Schultyp in Niedersachsen von der neuen hochgelobten Inklusion ausgenommen ist. Offiziell heißt es, weil die Schule zur Durchgangsschule werden soll, will heißen, Kinder und Jugendliche verbringen dort nur soviel zeit wie sie brauchen, um sich wieder in das normale S<stem Schule einpassen zu können. "Wir" waren schon immer eine Durchgangsschule, für manche Kinder aber auch die Schule bis zum Ende ihrer Schulpflicht, weil sie sich eben nicht an irgendwelche System anpassen konnten. Und es verwundert angesichts der hohen Kosten, die die Unterhaltung so einer Schule mit sich bringt ( Erneuerungsbedarf ist nur ein Stichwort 😉 ), dass es in ganz Niedersachen nur 3 öffentliche (staatliche) Schulen dieses Typs gibt, alle anderen ca 20 Schulen sind in privater Trägerschaft, die meisten davon vermutlich in kirchlicher, das müsste ich jetzt googeln, habe aber dazu keine Lust und keine Zeit! 🙂

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    • anti3anti schreibt:

      Die nächste Losung kommt aus dem NT.

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