Es ist laut und hell im großen Raum. Das Mikrofon, welches herumgereicht wird, ist überflüssig. Die Sprecher sind deutlich zu hören. Die Stimmen gehören den drei Duzend Männern und Frauen, die sich zu einer Aussprache getroffen haben, unter ihnen Ahnungslose, Israel-Hasser, die sich weigern, Antisemiten zu sein, 1/8-Juden, Juden, Judenfreunde und Gutmenschen. Die Stimmen der Lebenden werden vom Brüllen der toten Nationalsozialisten übertönt. In seltenen Momenten der Ruhe hörte man das leise Schluchzen der totgeweihten Juden.
Im Gegensatz zu Russland wird in Deutschland die Liebe zu Gleichgeschlechtlichen, zu Tieren und zu Stolpersteinen freundlich begrüßt. Wer da nicht mitmacht, ist ein Rechtsextremer. Der Spielverderber entgeht nur dann dem Volkszorn, wenn er homosexuell, Jude oder politisch pädophil ist.
Was sind Stolpersteine?
Stolpersteine sind in Gehwegen eingelassene Pflastersteine, deren sichtbare kupferne Oberfläche wie Gold glänzt. Auf der Oberseite sind Namen ermordeter Juden eingeritzt, die in der Zeit der Nationalsozialisten im nahestehenden Haus gewohnt haben. Der neugierige fremde Besucher bleibt stehen, beugt sich zu den Steinen und liest die Namen. Der Einheimische, der die Stolpersteine zur Genüge kennt, umgeht sie oder tritt achtlos auf sie und hinterlässt seinen schmutzigen Fußabdruck. Der Jude erkennt von Weitem die Steine. Er überfliegt die Namen, die ihm geläufig sind, und versucht seinen Weg fortzusetzen, ohne auf sie zu treten. Denn ein Jude tritt nicht bewusst auf Namen anderer Juden.
Die Organisatoren der Pflastersteine überreden, drohen, machen ihre Gegner lächerlich, stellen sie in die rechte Ecke, schüchtern sie ein. Sie sind von ihrem Vorhaben besessen. Bisher haben sie wenig Widerstand verspürt, es gibt kaum eine bedeutende deutsche Stadt ohne Stolpersteine. München wehrt sich – noch. Krefeld wird mürbe. Nun kommt die Provinz dran. Auch hier gibt es unglaublich viele tote Juden, deren man gedenken muss.
Die wortgewaltigen Angriffe der Pflasterstein-Organisatoren verfehlen ihr Ziel nicht. Der schwache Widerstand bricht. Viele Einwohner sind nun verängstigt. Sie schweigen, stehen wie einst in Ulbrichts DDR und in Maos China kurz vor der Selbstzensur. Wenige sprechen ihre Sorgen aus: Die Stolpersteine sind der Beweis, dass die arisierten Judenhäuser weit unter ihrem Wert verkauft worden sind. Man wird sie und ihre Eltern beschuldigen, aus dem Leid der Juden einen Gewinn erzielt zu haben. Die Organisatoren erkennen schnell die drohende Gefahr und versichern, dass Entschädigungsverhandlungen nicht vorgesehen sind, dass überlebende Juden und ihre Nachkommen kein Recht auf die ehemaligen Judenhäuser haben, dass die heutigen Bewohner der Judenhäuser im Dorf nicht an den Pranger gestellt werden. Schließlich habe sich jeder anständige Deutsche damals genauso verhalten, wenn er das Grundstück mit Gebäude billig hat erwerben wollen. Die Juden waren ihren arischen Nachbarn dankbar gewesen, vor ihrer Deportation in den sicheren Tod ihr Haus und Hof in guten Händen von Freunden zu wissen.
Die Judenfreunde melden sich zaghaft zu Wort. Nach dem Krieg sei ein Jude aus Israel ins Dorf zurückgekehrt, habe hier geheiratet und Jahrzehnte hier unauffällig gelebt. Als der jüdische Freund aus der Zeitung erfahren habe, dass man in Köln Stolpersteine verlegt, sei er außer sich gewesen. Man habe im Nazireich genügend Zeit und Muße gehabt, auf Juden zu trampeln. Er werde eigenhändig die Stolperstein in seinem Dorf aus dem Boden reißen.
Die Gesichter der Organisatoren und der Befürworter bleiben unbewegt. Hier soll der toten Juden gedacht werden. Ihr Andenken dient als Anschauungsmaterial, damit sich der Nationalsozialismus und der Krieg niemals wiederholen mögen. Die Meinung lebender Juden ist irrelevant, ja kontraproduktiv.
Der von den Organisatoren mitgebrachte 1/8-Jude berichtet über das Glück, das die Stolpersteine über seinen jüdischen Verwandten verströmt haben. Selbst die Juden aus Israel seien erfreut gewesen, Köln, die Stadt ihrer Eltern und Großeltern, zu besuchen, deren jüdische Einrichtungen heute von Polizei und Stacheldraht weniger wegen der Nazis gesichert werden. Der 1/1-Jude erklärt, dass es gegen jüdische Tradition verstoße, auf geschriebenen Namen von Juden zu trampeln und deshalb zur Stolpersteineinsetzung kein offizieller Vertreter der zuständigen Jüdischen Gemeinde Aachen zugegen sein wird, was mit einer deutlichen Erleichterung seitens der Organisatoren aufgenommen wird. Denn die Steine werden vom Hersteller, der sich heute als Künstler bezeichnet, mit der Absicht in den Boden versenkt, dass man auf sie trete.
Die Versammlung löst sich auf. Es wird festgelegt, dass auf der nächsten Gemeindesitzung die Mehrheit sich für Stolpersteine entscheiden wird.
Warum sind so viele Deutsche in Stolpersteine vernarrt?
Die Obsession grenzt an einer Massenhysterie. Die Ermordung eines ganzen Volkes durch das deutsche Bildungsvolk, dem die Freunde und die Verwandte der Stolperstein-Organisatoren angehören, ist eine untragbare Bürde. Die Tat kann nur durch Demut zu den überlebenden, den heute lebenden Juden, gemildert werden. Die positive Konsequenz aus dem Holocaust ist die Forcierung der Gründung des Jüdischen Staates Israel gewesen. Das Volk der Holocaust-Täter muss Israel verehren, für Israel beten, Israel beschützen. All dies reicht trotzdem nicht aus, die schwere Schuld zu tilgen. Mancher Deutsche wird Jude, will Opfer werden, weil er die Rolle des Täters nicht aushält.
Es gibt einen leichten Weg, sich der Schuld zu entledigen: Die Juden sind für ihre Ausrottung selber verantwortlich! Seht her, wie die Juden Israels die unterdrückten Palästinenser quälen! Hitlers unvollendeter Holocaust hat die Staatsgründung Israels ermöglicht, Hitler ist für die Vertreibung der Araber verantwortlich. Die Juden benehmen sich schlimmer als die Nazis! Sogar der Bischof in Aachen weiß, dass die Zustände in Betlehem ärger als im Warschauer Ghetto sind, dass Gaza das größte KZ weltweit ist. Hätten die überlebenden Juden nicht nach Amerika auswandern und dort Indianer vertreiben können? Nein. Sie mussten in Palästina siedeln, um Araber zu vertreiben, die bis heute Hitler verehren.
Die meisten Stolperstein-Verantwortlichen hassen Israel, wollen aber seit dem Holocaust keine Antisemiten sein. Sie müssen sich von den Nationalsozialisten abheben. Sie unterscheiden strikt zwischen den guten toten und den lebenden Juden in Israel, den Zionisten, die an sich böse sind. Die goldglänzenden Stolpersteine, auch wenn es nur billiges Kupfer ist, zeigen den Nachfahren der Ermordeten, wo ihre Heimat ist. Sie sollen nach Deutschland zurückkehren und Israel als ihre Heimat aufgeben. Juden sollen ihre Häuser in Besitz zurücknehmen, die jetzigen Bewohner vertreiben, damit die Palästinenser eine judenfreien Staat an Stelle des verhassten Judenstaates ausrufen können. Die goldglänzenden Stolpersteine sollen jedoch bleiben, damit jeder erkennt, dass ein Jude dort wohnt. Das nächste Mal gelingt der Holocaust!
Wo steht es, dass die meisten Organisatoren der Stoplerstein-Verlegungen gegen Israel sind?
– Einerseits: Schamor we sachor, wir wollen uns erinnern und die Erinnerung in Ehren halten.
– Andererseits: Auf diese Namen wird getreten und gespuckt, auf die Namen der Ermordeten, nicht auf die Namen der Täter, denn diese dürfen nicht hingeschrieben werden, sie fallen unter Datenschutz.
Allein das ist schon ein Unding
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Das ist aber ziemlich um sechs Ecken argumentiert. Hier ist einer meiner Artikel zum Thema Stolpersteine und ihre Gegner.
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Stolpersteine sind nicht für Opfer, sondern für Täter da. Wenn der Jude sich geschmeichelt fühlt, seine Vorfahren in der Erd unter deutschen Stiefeln zu sehen, dann soll er eine solche Aktion in Israel anstreben.
Woher ich weiß, dass die meisten Organisatoren der Stoplerstein-Verlegungen gegen Israel sind?
Ich rede mit ihnen.
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Frau Eussner, es ist ganz sicher nicht nötig, dass Sie Frau Knobloch wiederholt so abwertend als „diese Frau“ bezeichnen.
Sie machen es sich äußerst einfach, indem sie ihr genau drei Dinge unterstellen: „Hass“ der persönlichen Art auf den Herrn Demnig, Glamour und Showbiz.
Ah so? Weiter ist nichts los mit dieser Frau?
Mit Knoblochs Argumenten haben Sie sich nicht auseinandergesetzt. Sie möchten die Gegnerschaft zu den Stolpersteinen lieber als persönlich gefärbte, aber sonst unerklärte Intrige darstellen.
„Der … Kunstsammler … hofft, „dass die Stolpersteine eines Tages das größte ´dezentrale Mahnmal Europas´ sein werden“.
Da steckt es doch drin, das komplette europagrößte Zupflastern des Straßenschmutzes mit den Namen Ermordeter reichsweit, das stolzmachen soll. Diese Gigantomanie kommt Ihnen nicht abscheulich vor?
… Zuerst war die Maßlosigkeit der Schoah in millionenfacher Wiederholung. Dann kam die Maßlosigkeit des Gedenkens in hunderttausendfacher Wiederholung, und nun herrscht die Maßlosigkeit der Meinungen.
Deutsche Gigantomanie allzeit.
Kein Einziger der Ermordeten wird davon wieder lebendig.
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Wie steht denn Demnig selbst zu Israel?
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Er ist überzeugter Antizionist, redet jedoch nicht offen darüber, da er befürchtet, dass dies seinen Geschäften schadet.
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Da bin ich baff.
Ein deutscher Antizionist verlegt also wie angestochen einen ‚Stolperstein‘ nach dem anderen mit Namen toter deutscher Juden?
Antizionisten wollen nicht, dass Juden Schutz in Israel bekommen, sie wollen hingegen, dass Juden nirgendwo sicher sind. So wie früher halt. Und da hämmert er eine Messingplatte nach der anderen in schmutzige deutsche Trottoirs, während er hofft, dass Israel von just jenen Leuten überrannt werde, die damals diese vielen Juden vernichtet haben, deren Namen er da in die Straßen-?
Ojwawoj, so eine verwickelt meschiggene Tragikomödie der irren Art KANN es ja nur in diesem Land geben
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Ist das ganz sicher? Ich kenne Dich nicht, hast Du irgendeine Quelle? Das wäre natürlich der Oberhammer, aber leider nichts ungewöhnliches 😦
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Wenn sich die Sache schriftlich belegen lässt oder es zumindest eine detaillierte Zeugenaussage gibt, müsste Frau Eussner (die in puncto Israel sehr ehrenwert ist!) einen neuen Artikel schreiben.
Und/oder es gibt eine öffentliche Debatte
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Unter Gunter Demnig Anti-Zionist finde ich nichts im Internet. Ein Linker scheint er zu sein. Ein wenig erinnert mich die Diskussion an Max Raabe in Israel. Auch Gunter Demnig hat unter zahlreichen Angehörigen von Opfern der Judenvernichtung Freunde, die eigens zur Verlegung der Steine erstmalig wieder nach Deutschland kamen. Auch die Familie und die Freunde der Gebrüder Wolf (Fietje und Thetje: „Snuten&Poten) sind von dieser Art Ehrung angetan.
Was die Verlegung der Steine angeht, so habe ich bei Berlinbesuchen nur einige gesehen, auf keinem konnte man herumtrampeln. Es mag bei anderen Steinen aber sein, weiß ich nicht. Mich hat fasziniert, daß ganze Schulklassen sich mit den Einzelschicksalen der Deportierten und ermordeten Juden befaßt haben.
Mein Vorschlag für ein Mahnmal ging im Juni 2001 sowieso in eine ganz andere Richtung. Aber dafür kriege ich hier sicherlich Schläge.
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Die Stolpersteine sind aus Messing, nicht aus Kupfer.
Bei uns in Wien gibt es entweder eine kleine Tafel am Haus, oder wenn der Eigentümer nicht zustimmt Stolpersteine auf öffentlichem Grund.
Ähnlich wurde auch in einem anderen Fall verfahren: Beim ehemaligen Vereinsbethaus Neubau erlaubte der Inhaber und Erbe der Profiteure der Arisierung keine Gedenktafel. Daraufhin wurde knapp vor dem Gebäude eine stehende Tafel mit eingefräster Schrift aufgestellt, die bei Sonnenlicht die Schrift auf das Haus projiziert.
http://derstandard.at/1809000/Lichtschrift-erinnert-an-juedisches-Bethaus-in-Wien
Viele Hausbesitzer gegen Gedenktafeln
http://wien.orf.at/news/stories/2558387/
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Warum sehr viele Juden gegen diese Stolpersteine sind, nu, das interessiert Sie allenfalls, wenn da ein Jude womöglich Hausbesitzer zu sein wagt, nicht?
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Also, der Artikel im Wiener Standard lässt ja an triefender Kitschköpfigkeit und an pathetischer Durchdrungenheit des eigenen Besserseins nichts, aber auch gar nichts zu wünschen übrig.
Wer so einen Schund mag!, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.
Und naturgemäß hat man da ein Gedicht von Erich Fried ausgewählt, von DEM Alibijuden schlechthin, der keine Gelegenheit ausgelassen hat, um Israel zu beschimpfen. Just Erich Fried, dessen Lieblingswort „Ich“ war, der 1976 sagte, dass Ulrike Meinhof die „größte deutsche Frau seit Rosa Luxemburg“ gewesen sei.
Terroristinnengutfinder hin oder her, das gilt in dem Zusammenhang mehr als willkommene Fußnote. Ungleich lieber hat man in Wien den notorischen Erichfriedschen Hass auf Israel. Also wirft man sein Gedicht da im superkorrekten, antirassistischen, antizionistischen Wien an eine exjüdische Wand.
Man nimmt zum antzionistischen Zweck gern noch einen toten Juden daher. Wenn er nur Israel hasst.
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Fußnote: Und die Sache mit der Lichtprojektion an die Hauswand, weil die Hausbesitzer eine Gedenktafel nicht wollen (weil die meist beschmiert werden).
Die per Definition guten, verständigen Weltretter bringen die Erleuchtung mit sanfter Gewalt den sturen Uneinsichtigen, die lieber selbst entscheiden wollen was für sie und das Andenken der Ermordeten aus ihrem Haus gut ist. Quasi den Verblendeten (Verblendung an der Hauswand folgt… daß das dasselbe Wort ist war jetzt aber keine Absicht).
Woran, genau, erinnert das jetzt nochmal?
Eben.
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… wir wissen ja nicht, ob die Hausbesitzer in der Schottenfeldgasse nun Astlöcher sind (solche gibts!) oder nicht, Aurorula. Für den Standard jedenfalls gelten sie schon als Quasinazis, bloß weil sie keine Gedenktafel („die wird nur beschmiert!“) am Haus wollen.
Man hat als aktueller Bessermensch ja nun mal Folgendes gutzufinden: Goldene Stolpersteine mit den Namen ermordeter Juden zum extra nochmal zum Drauftreten, Gedenktafeln zum Beschmieren, abgeworfene Kränze zum Wegschmeißen, extra designte und geschniegelte Lichtbuchstabenprojektoren, die gepflegte Israelhassergedichte an verschwiegene Wiener Hauswände schmeißen, und wahrscheinlich auch Lichtdome oder Aufmärsche hat man dann Sonntags zu genießen, so als Mit-Bessermensch.
Wenn man diesen ganzen widerlichen Schmockess aber so widerlich findet, wie er nun mal ist, gilt man für die Gutfinder gleich als Klassenfeind, Zersetzer oder als ein ganz, ganz Rechter, je nach Geschmack.
Ach!, à propos. Als was gelten z.B. WIR hier für den Standard und für Andere, die so drauf sind, etwa für den Fg68at mit seinem treuen Augenaufschlag: Bah, des mecht man gornet wiss’n.
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Was der zweite Absatz („Im Gegensatz zu Russland“) hier zu suchen hat kann ich mir nicht erklären.
Homophobie?Linken-Kritik?
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Aber sowas ist doch verboten.
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