Wenn in Deutschland der Toten gedacht wird, dann sind vier Gruppen zu unterscheiden:
Die Toten.
Die Gruppe, die den Tätern nahesteht.
Die Gruppe, die den Opfern nahesteht.
Die Neutralen.
Mit Ausnahme von religiösen Vorstellungen unbedeutender Minderheiten geht man rational davon aus, dass die Toten an ihrem eigenen Gedenken nicht beteiligt sind und auch nichts dabei empfinden. Die Gruppe der Neutralen ist ebenfalls zu vernachlässigen, da deren Mitglieder, die an Gedenkveranstaltungen dieser Art teilnehmen, sich nur unmerklich anders als die Mitglieder der Gruppe verhalten, die den Tätern nahesteht.
Der allergrößte Teil der Gruppe, die den Opfern nahesteht und die an Totengedenkveranstaltungen teilnimmt, zentriert das Gedenken auf sich. Diese Menschen erwarten, dass ein erneutes Verfolgen und Töten ihrer Volksgruppe durch das Gedenkens unterbunden wird. Sie haben nichts dagegen, wenn auch anderen Gruppen dieses Los erspart bleibt. Die wenigsten Mitglieder der Opfergruppe nehmen an den Gedenken teil, um gegen das Töten an sich zu demonstrieren.
Ganz anders verhält sich der große Teil der Gruppe, die den Tätern nahesteht. Diesen Menschen geht es nicht um das Gedenken an die konkrete Untat, auf dass sich diese nicht wiederholen möge. Die Mitglieder der Gruppe, die den Tätern nahesteht, instrumentalisieren die Toten. Das Gedenken dient dazu, dass in Zukunft niemand umgebracht wird, nur weil er einer Minderheit angehört. Die Gruppenmitglieder der Opfer, deren gedacht wird, sind automatisch in dem Gedenken eingeschlossen.
Nehmen wir als Beispiel eine Totengedenkveranstaltung an Zigeunern, die in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von Deutschen und ihren Helfern nur deshalb ermordet worden sind, weil sie Zigeuner gewesen sind. Unter den an der Gedenkveranstaltung teilnehmenden lebenden Zigeuner befinden sich möglicherweise Roma, die am nächsten Tag des Landes verwiesen und gezwungen werden, in ihrer nicht vorhandenen Heimat zurückkehren. Maßgebliche Politiker, die an der Gedenkveranstaltung hohle Reden schwingen, sind an der Abschiebung der Roma beteiligt, ohne ihre Situation als widersprüchlich oder pervers zu begreifen. Vielleicht fühlen sich einige Mitglieder der Gruppe, die den Tätern nahesteht, dabei nicht wohl. Doch widerstrebt es Ihnen, die Gedenkveranstaltung unter Protest zu verlassen.
Die Instrumentalisierung der Toten dient den Mitgliedern der Gruppe, die den Tätern nahesteht, sich von der Schuld ihrer Vorfahren zu reinigen. Dies steht im krassen Widerspruch zu der Auffassung, dass die Nachfolgegeneration an den Verbrechen ihrer Eltern unschuldig ist. Die Auffassung wird von denselben Leuten lauthals vertreten, die gleichzeitig die Auffassung mit Füßen treten. Außerdem erlaubt die Instrumentalisierung die Abschiebung heutiger Roma, damit sie nicht von der Verfolgung und Ermordung ihrer Volksgruppe unter den Nationalsozialisten profitieren.
Nun gibt es eine scheinbare Ausnahme zur Instrumentalisierung, nämlich das Verhalten Deutschlands und seiner Bürger zu Juden, deren Vorfahren wie die Zigeuner in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft von Deutschen und ihren Helfern nur deshalb ermordet worden sind, weil sie Juden gewesen sind. Im Gegensatz zu den Zigeunern haben jüdische Organisationen eine finanzielle „Wiedergutmachung“ für die Schäden erhalten, die Juden entstanden sind. Diese finanzielle Wiedergutmachung deckt jedoch höchstens 20% der finanziellen Verluste ab, die den Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten entstanden ist, so dass der deutschen Regierung mit der „Wiedergutmachung“ ein gutes Geschäft auf Kosten der toten Juden gelungen ist. Eine zusätzliche personengebundene Entschädigung wird nur den wenigen überlebenden Juden und ihren Nachkommen nach langen und teuren Gerichtsverfahren gewährt, wenn sie imstande sind, den finanziellen Schaden nach 80 Jahren zu beweisen. Manche Prozesse sind bis heute nicht abgeschlossen.
Die andere scheinbare Ausnahme zur Instrumentalisierung stellen die jüdischen Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion dar, denen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Ansiedlung in Deutschland gestattet worden ist. Der offizielle Grund ist die Wiederbelebung Deutschlands mit Juden. Von den 300.000 Kontingentflüchtlingen haben sich ⅔ als Nichtjuden erwiesen, die als Familienangehörigen von Juden oder mit gefälschten Papieren Russland verlassen haben. Das letzte Drittel wird sich in wenigen Jahrzehnten assimilieren. Die Zahl der gemeldeten Juden in Deutschland sinkt stetig. Der wahre Grund der Zulassung von jüdischen Kontingentflüchtlingen, welche eine Idee der untergehenden DDR gewesen ist, ist der gesamtdeutsche Wunsch, dass dadurch dem Judenstaat Israel, wohin die sowjetischen Juden hätten ausgewandert können, die jüdische Bevölkerung entzogen wird. Somit wird mit den jüdischen Kontingentflüchtlingen nicht der nationalsozialistische Wahn widerlegt, Deutschlands Juden zu eliminieren, sondern die nationalsozialistische Ideologie bekräftigt, das Weltjudentum zu vernichten.
Wir sehen, dass es weder bei Zigeunern, noch bei Juden Ausnahme bei der Instrumentalisierung der toten Opfer gibt. Ein bekanntes Beispiel ist der Kniefall des Bundeskanzlers Willy Brandt vor dem Mahnmal für die ermordeten Juden des Warschauer Ghettos. Kurze Zeit später hat eben dieser Kniefallende den israelischen Überlebenden der Ghettos und der KZs jegliche Unterstützung verweigert, um sich gegen die anfänglich siegreichen arabischen Armeen zu verteidigen, die offen nach NS-Manier ihre Mordlust an Juden bekundet und dies, wenn auch glücklicherweise in beschränkten Ausmaß, durchgeführt haben. Anschließend hat der scheinbar judenfreundliche Kanzler den USA verboten, die überlebensnotwendigen Waffen über deutsches Territorium nach Israel zu transportieren.
Nun werden sich heute genügend willige Menschen finden, die Aufgrund der nationalsozialistischen Verfolgung den Roma wie zuvor den Juden ein Bleiberecht in Deutschland gönnen. Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Instrumentalisierung der Totengedenkveranstaltungen beendet wird. Die meisten Totengedenkveranstaltungen finden nicht für tote Zigeuner, sondern für tote Juden statt. Das Ende der Instrumentalisierung bedeutet die Auflösung einiger Organisationen, die sich der Juden-Instrumentalisierung verschrieben haben: pax christi, Bündnisse gegen Rechts, Stolpersteinverleger, Friedenspreisausteiler. Lediglich die katholischen Piusbrüder kämen ungeschoren davon, da die Holocaustleugner in ihren Reihen an jüdischen Totengedenkveranstaltungen nicht teilnehmen. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass pax christi, Bündnisse gegen Rechts, Stolpersteinverleger und Friedenspreisausteiler, die Teil des selbstzufriedenen Mainstreams sind, ihre Auflösung beschließen.
Somit wird Roma bis auf Weiteres der Aufenthalt in Deutschland mit allen rechtlichen Mitteln erschwert werden. In diesem Punkt funktioniert die deutsch-französische Zusammenarbeit ausgezeichnet.
Erschienen in der Huffington Post vom 28.10.2013
Die Vertreibung der Roma aus Deutschland
http://www.huffingtonpost.de/nathan-warszawski-/die-vertreibung-der-roma-_b_4159372.html