Massenhysterie

Der Beginn des Großen Weltkrieges jährt sich zum hundertsten Mal. Nicht nur in Deutschland haben damals friedliche Bürger frohlockend zu den Waffen gegriffen, um weitere friedliche Bürger umzubringen, die anderer Nationalität, Religion oder Sprache gewesen sind. Monate, ja Wochen oder Tage zuvor, haben sie sich noch gegenseitig besucht. Von einem Tag auf den anderen sind sie wie Bestien aufeinander losgegangen.

Wie das? Sind die Untertanen von der Rede ihres Kaisers derart begeistert worden, dass es nun keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche gäbe? Was ist der Anlass des Stimmungsumschwunges vom Frieden zum Krieg gewesen, den das ganze kultivierte und so kaltblütige Volk ergriffen hat?

Die Deutschen sind im Jahre 1913 nicht bösartiger oder dümmer (gewesen) als 1932 oder 2013. Im Gegensatz zu heute hat es vor dem Ersten Weltkrieg ausgeprägte Ressentiments gegen Franzosen gegeben, die trotzdem allein niemals ausgereicht hätten, einen Krieg zu entfesseln. Kaisers Rede, die Ermordung eines unwichtigen österreichischen Imperials und weitere Kleinigkeiten, die heute vergessen sind, peitschten das deutsche Volk auf. Die vorhandene Abneigung gegen Franzosen wurde zu Hass, der Hass zu Krieg.

Massenhysterien entstehen auf dem Boden vorhandener Vorurteile. Während der Aufruf des Kaisers, Franzosen zu töten, innerhalb kürzester Zeit auf fruchtbaren Boden gefallen ist, haben die Nazis einige Jahre gebraucht, damit ihre antisemitischen Wähler die Juden freudig ermordet oder zumindest zur Seite geschaut und geschwiegen haben. Ohne allgegenwärtige Ressentiments gegen Juden hätten die Nationalsozialisten, die nicht nur wegen ihres Judenhasses frei und demokratisch gewählt worden sind, niemals den Holocaust gestartet. Ein Aufstacheln zum Mord und andere Untaten sind nur dann erfolgreich, wenn die Abneigung gegen die Schuldigen im Volk schon besteht.

Ein Genozid an Juden oder anderen Minoritäten kann sich im heutigen Deutschland als Holocaust nicht wiederholen. Es bestehen zwar genügend Vorurteile gegenüber Juden und Roma, jedoch fehlt die Initialzündung, da die Regierenden Demokraten sind.

Die Deutschen sind gerne dem Kaiser und dem Führer gefolgt, deren Ziele dem Volk gewaltig und schön erschienen sind. Beide, Kaiser und Führer, hatten versprochen, die Welt zu verdeutschen, sie zu retten. Auch Napoleon versprach es seinen Soldaten, womit er anfangs viel Erfolg hatte. Doch im Gegensatz zu Kaiser und Führer wollte der Korse tatsächlich die Welt verbessern, was ihm auch gelang, solange er nicht von der Reaktion und anderen „Freiheitskämpfern“ behindert wurde.

Für die Rettung der Welt sind die Deutschen bereit, den Reichtum Deutschlands und das Leben anderer zu opfern. Ihr eigenes Geld und ihr eigenes Leben soll nach Möglichkeit verschont bleiben, was sich oft, aber nicht immer bewerkstelligen lässt. Besonders verlockend ist die Rettung der Welt, wenn sie dafür geehrt und bezahlt werden.

Nach zwei Weltkriegen haben die Deutschen verstanden, dass sie sich bei den Nachbarn mit verlorenen Kriegen nicht beliebt machen. Die Deutschen wollen deshalb keinen Krieg mehr, doch sie wollen weiterhin die Welt retten, die Welt am deutschen Wesen genesen lassen. Wie stolz waren sie in den 1960er Jahren, als amerikanische Raketen zum Mond flogen, die auf Ideen eines Deutschen basierten, dessen Raketen vielen Engländern den Tod brachten. Gleichzeitig waren sie stolz auf deutsche Autos, die in der gesamten Welt den Weltstandard bestimmten. Dann kamen Jahrzehnte der Ruhe und der politischen Entspannung, die keiner Welterrettung bedurften.

Umso glücklicher sind Politik, Wirtschaft und Volk, dass der von ihnen gemachte Klimawandel die gesamte Menschheit bedroht, die nur darauf wartet, gerettet zu werden. Auch hier gilt, dass die Vorurteile bereits vorhanden sein müssen, um auf die Initialzündung richtig zu reagieren und eine Massenhysterie auszulösen. In Deutschland ist dies gelungen. Windmühlen, deren Arme sich im lauen Lüftlein träge drehen, und Sonnenkollektoren, die nach Licht lechzen, sind Beweise.

Doch die Deutschen haben ihre Lektion aus Erstem Weltkrieg und Holocaust nicht gut gelernt. Kaiser und Führer mussten nur ihr eigenes Volk verführen, Franzosen und Juden brauchten von Kaiser und Führer nicht vom Krieg oder vom Holocaust überzeugt werden. Die Oberhäupter der verschuldeten EU-Staaten, die ihren Wählern suggerieren, dass ihre Existenz vom deutschen Steuerzahler abhängt, folgen fürstlich bezahlt frei- bis widerwillig der deutschen Hegemonie. Schwellen-, Entwicklungsländer und andere Großmächte lassen sich wegen zu geringer Geldzuwendungen aus Deutschland nicht vom deutschen Welterrettungswahn anstecken.

Massenhysterie vernichtet physische und moralische Werte. Ich empfehle den Juden die Flucht in Talmud-Thora, den Franzosen und anderen Nicht-Juden in die griechische Philosophie, allen in Edelmetallen.

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3 Antworten zu Massenhysterie

  1. Caruso schreibt:

    KLuge Worte! Ich möchte nur eine kleine Sache klären. Die Deutschen waren nicht deshalb unbeliebt, weil sie zwei Kriege verloren, sondern wegen den riesigen Verwüstungen die sie überall hinterließen, sei es an menschlichem Leben, sei es materiellen Werten.
    lg
    caruso

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  2. Caruso schreibt:

    So blöd sind / wären die Menschen vielleicht doch nicht – will ich hoffen. Obwohl…
    Wie sagte doch Einstein? Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit. Beim Universum bin ich nicht sicher. (So ungefähr).
    lg
    caruso

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