Alljährlich und unbemerkt wird die Buber-Rosenzweig-Medaille in Erinnerung an die deutsch-jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber und Franz Rosenzweig im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit GCJZ verliehen. Nach den Regeln des Deutschen Koordinierungsrat erhalten solche Personen die undotierte schwere Medaille, die sich um Verständigung zwischen Christen und Juden verdient gemacht sowie einen Beitrag für die christlich-jüdische Zusammenarbeit geleistet haben.
Diesmal ist der Preis an den ungarischen Juden György Konrad gegangen. Der 80-Jährige Autor und Holocaust-Überlebenden wird für seine Verdienste um die Verständigung zwischen Christen und Juden geehrt. Außerdem gilt er als Verfechter der (europäischen?) Idee des friedlichen Zusammenlebens von Menschen verschiedener Kulturen und Ethnien.
Entsprechend der Bedeutung hat das ZDF um Mitternacht über die Feierlichkeit berichtet. Der greise Preisträger hat einen ähnlichen hinfälligen Eindruck hinterlassen wie der Preisüberreicher und der Laudator. Die bekannte und beliebte Moderatorin Petra Gerster hat die Veranstaltung mit Bravour gemanagt.
Um diese Zeilen zu schreiben, benötigt man kein Wissen über Judentum, Buber, Rosenzweig und die GCJZ. Der Preisträger hat die Auszeichnung im guten Glauben angenommen. Doch welche Absichten verfolgt der Deutsche Koordinierungsrat der GCJZ mit der Preisverleihung? Warum heißt der Preis nach Buber und Rosenzweig?
Buber und Rosenzweig waren deutsch-jüdische Religionsphilosophen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gewirkt hatten. Rosenzweig starb derart jung, dass er die Herrschaft der Nationalsozialisten nicht erlebte. Buber wanderte rechtzeitig nach Palästina ein. Er starb 1965 in Jerusalem im hohen Alter. Zeitlebens bezeichnete er sich als religiösen Zionisten. Der Einfluss der deutschen Philosophie auf das Weltjudentum wurde durch die Machtergreifung der Nazis jäh abgebrochen. Bisher fand sich niemand in Deutschland, der im Stande war, die Arbeiten der beiden großen jüdischen Philosophen fortzuführen, schon gar nicht jemand aus dem Dunstkreis der GCJZ. Die Philosophie, die das Weltjudentum beeinflusst, kommt nun aus Israel und den USA.
Wie sehr sich auch Buber und Rosenzweig um die Verständigung zwischen Christen und Juden bemüht haben: Ihre Arbeit war nicht vom Erfolg gekrönt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bestanden die siegreichen US-Streitkräfte in Deutschland darauf, dass sich Deutsche mit Juden aussöhnten. Es verging eine Weile bis die Alliierten bemerkten, dass kaum Juden zur Verfügung standen, die an einer Aussöhnung interessiert waren. Die deutschen Kirchen waren die ersten (und einzigen), die bereit waren, sich am Versuch zu beteiligen. Mit der Zeit fanden sich einige Juden, die für lebensnotwendige Vergünstigungen bereit waren, mit Christen zu kooperieren. Es entstand ein rudimentärer Meinungsaustausch auf religiös-philosophischem Niveau.
Nach einigen Jahrzehnten drängten viele Christen in die sprossenden GCJZ. Ihr Interesse galt weniger den überlebenden Juden in Deutschland, als dem neu gegründeten Judenstaat Israel. Doch nach siegreichen Kriegen gegen übermächtige arabische Staaten verschwand das positive deutsche Interesse an Israel, welches sich dem Opfer verschrieben hatte. Israelfreunde traten zu den rechtzeitig ins Leben gerufenen Deutsch-Israelischen Gesellschaften über. Wie die meisten Organisationen, die sich mit Israel auseinandersetzten, gewannen auch innerhalb der GCJZ Israel kritische Meinungen und Aktionen die Oberhand. Die geringe Zahl der jüdischen Mitglieder sank Biologie bedingt. Erst mit dem Zuzug osteuropäischer jüdischer Kontingentflüchtlinge, die auf Grund ihrer sozialistischer Erziehung kaum religiöse Gefühle für Israel hegten, fanden sich mehr Juden, die bereit waren, an der Leitung der GCJZ zu partizipieren.
Ein religiös begründeter Gedankenaustausch findet innerhalb der GCJZ wegen fehlendem jüdischen Wissen nicht mehr statt. Der jüdische Vorsitzende des Koordinierungsrates der GCJZ, ein nicht orthodoxer Rabbiner, findet nach 30 Jahren im Amt keinen Nachfolger. Viele der Gesellschaften haben keine jüdischen Mitglieder. Sie treffen sich einmal jährlich in einem jüdischen Friedhof, um der Satzung zu genügen. Die christlichen Gründer sterben aus. Ihnen folgen ältere deutsche Bürger, die sich in der GCJZ Antwort und Absolution für die Taten ihrer Elterngeneration erhoffen.
Die GCJZ in Aachen, die sich nicht von den GCJZ anderer Städte unterscheidet, unterstützt beispielsweise Aktionen, die Israel in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Hier wird nicht eine Stimme gegen Rassismus und Antisemitismus erhoben, wie der Schleswig-Holsteinsche Ministerpräsident Torsten Albig über György Konrad bei der Buber-Rosenzweig-Preisverleihung geurteilt hat. Hier setzt sich kein Mitglied der GCJZ für eine freie und tolerante Gesellschaft ein. Der Deutsche Koordinierungsrat der GCJZ weiß und schweigt. Die NS-Vergangenheit wird hervorgeholt, um die besondere Bevormundung Israels durch deutsche Christen zu rechtfertigen. In der GCJZ Aachens sucht man vergeblich nach europäischer Toleranz und Vielfalt gegenüber Israel, wenn man Ausschnitte aus einer öffentlichen Ankündigung der GCJZ Aachen liest:
In Palästina wird die Archäologie für die Zionisten schon früh zu einem Instrument, mit dem der jüdische Anspruch auf das Territorium des biblischen Eretz Israel untermauert wird. In der Gründerzeit des Staates Israel stellt sich die israelische Altertumsforschung zunehmend in den Dienst des erstarkenden israelischen Militarismus. Yigael Yadin, Ex-Generalstabschef und Archäologe, trägt mit seinen Aufsehen erregenden Ausgrabungen in Massada entscheidend zum entstehenden Mythos vom jüdischen Heldentum bei. Die Verquickung von Militär und Archäologie manifestiert sich auch in der Figur des Kriegshelden Moshe Dayan, der sich als Archäologe inszeniert. Und in der Besatzungspolitik gibt man bei der Konfiszierung palästinensischen Bodens vor, dass es sich hier um archäologisch wichtige Gebiete handelt. Die politisch motivierte biblische Archäologie in Projekten wie dem der „Davidstadt“ in Ostjerusalem erlebt eine Renaissance.
Bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille beendet der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins seine Rede mit folgenden Worten:
Niemand darf zulassen, dass in Europa Intoleranz und Hass Zustimmung findet oder tatenlos geduldet wird. Toleranz ist kein Selbstgänger. Wir müssen für sie kämpfen!
Lasst den Worten Taten folgen!
Erschienen unter
http://www.tabularasa-jena.de/artikel/artikel_5393/
und
http://www.huffingtonpost.de/nathan-warszawski-/buberrosenzweigfreiheitvi_b_4937545.html
Ich habe gegen den o.e. Text im letzten Mitgliederrundschreiben der Aachener Gesellschaft schriftlich und sehr unmissverständlich in eigenem Namen protestiert. DANKE, Nathan, für diesen Artikel, Jochen Haritz
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Das einzig Gute an der Sache ist die Berichterstattung um Mitternacht. Man hätte sie noch später legen sollen, so gegen 3 Uhr. Dann hätten diese Heuchelei noch weniger Menschen gesehen. Was aber den Preisträger angeht: Hat ihn keiner beraten? Es wissen doch alle, was von dem Preis zu halten ist.
Hier eine kleine Auswahl von meiner alten Website, was in Aachen sonst noch los ist.
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