Die Schauspielerin Margarita Broich wird ab 2015 die Kommissarin im „Tatort“ Frankfurt spielen. Die Kommissare haben bei der Wahl ihres Namens ein Mitspracherecht. Margarita Broich hat sich für den Namen des Holocaust-Opfers Selma Jacobi entschieden, die im Alter von 89 Jahren in Theresienstadt ermordet worden ist.
Sämtliche Journale, denen der Vorgang erwähnenswert erscheint, finden die Wahl des jüdischen Namens unpassend. Selbst die SZ, die mit gutem Gewissen Juden stürmerartig karikiert, erregt sich. Auch die Jüdische Gemeinde Berlins ist erbost. Selbst HM Broder, der ansonsten immer dagegen ist, schließt sich halbherzig dem Mainstream an. Schön sind auch die Leserbriefe der diversen Zeitungen zu lesen. Dort, wo üblicherweise Israel auf das Übelste beschimpft (kritisiert) wird, blasen Antizionisten befremdet ins gemeinsame Horn. Dass der Stolpersteinlieferant Demnig um sein Gedenk-Monopol fürchtet, braucht keiner gesonderten Erwähnung.
Es ist zwar ein offenes Geheimnis, trotzdem ein gut gehütetes: Viele bewusste Juden mögen keine Stolpersteine. Der Name der Ermordeten gehört nicht auf dem Bürgersteig, auf dem jeder tritt und zuweilen Herr und Hund ihrer Notdurft nachkommen. Nach jüdisch-europäischem Ritus ist es gottgefällig, den Namen eines Toten zu tragen, insbesondere wenn er von Judenhassern ermordet worden ist. Viele offizielle Juden akzeptieren die Stolpersteine, um nicht mit jüdischen Ideen aufzufallen. Sie haben in den Jahrhunderten gelernt, sich zu ducken. Ist Broder gegen den Kommissarin-Namen, weil er davon ausgeht, dass die Vorsitzende der Münchner Jüdischen Gemeinde Charlotte Knobloch dafür ist?
Israel mit Jerusalem ist das Zentrum für Juden, wie Rom für Katholiken. Es fällt Juden schwer, zwischen Antisemiten und Antizionisten zu unterscheiden, es sei, dass sie selbst aus persönlichen Gründen gegen den Judenstaat eingestellt sind. So ist es verständlich, dass die meisten Stolpersteinbefürworter Israelkritiker, für normal denkende Juden Antisemiten sind.
Genau diese antizionistischen Israelkritiker wehren sich, dass die Tatort-Schauspielerin den Namen des Holocaust-Opfers Selma Jacobi annimmt. Denn nur der tote Stolpersteinjude ist ein guter Jude. Eine lebende „jüdische“ Schauspielerin könnte unbedacht einen Satz äußern, der Israel in einem guten Licht erstrahlen lässt, was selbst für atheistische Antizionisten eine Todsünde ist und wofür sie keine Fernsehgebühren bezahlen wollen.
Man braucht kein Wahrsager zu sein, um zu erkennen, dass der Name der Frankfurter Tatort-Kommissarin nicht Selma Jacobi lauten wird, wahrscheinlich nicht einmal Margarita Broich.
PS:
Auf Anregung bekannter Israelkritiker hat die Gemeinde Vettweiß am Fuße der Eifel mit überwältigender Mehrheit beschlossen, sich die billige Attraktion in Form von Stolpersteinen zu gönnen. Da der letzte Vettweißer Jude schon eine Weile tot ist, werden gewalttätige Störungen ausgeschlossen. Selbst die zahlreichen Neonazis wollen sich zumindest während der feierlichen Bürgersteig-Stolpersteineinbettung jeglicher Gewalt gegenüber den Stolpersteinen enthalten.
Wollen wir uns in Geschmacks-, Weltanschauungs- und anderen Sachen von Antisemiten beeinflussen lassen? Also genau das Gegenteil von dem tun und sagen, was Antisemiten tun und sagen? „Wie frei wäre das denn?“, wie Aristobulus in einem ähnlichen Zusammenhang auf TiN fragt.
Die SZ ist gegen die Wahl von Selma Jacobi (HaSchem jikom Dama) als Name für eine Tatort-Kommissarin. Ja und? Ist diese „Auferstehung“ nach deutschem Neuritus deshalb weniger geschmacklos?
Was die sogenannten Stolpersteine anbelangt: Ich finde sie aus ähnlichem Grund geschmacklos. Namen von Ermordeten, dazu von solcher Art Ermordeten, gehören erhöht, auf eine Fassade, von mir aus auf ein öffentliches Gebäude – nicht unter die Füße.
Am besten aber: keine Stolpersteine, keine Stolperstein-Kommissarin, dafür Solidarität mit den lebenden Juden in Israel. Aber das ist zu viel verlangt, ich weiß.
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… lass uns etwas Drittes tun, also nicht das Gegenteil dessen, das Antisemiten meinen und tun, und auch nicht das Selbe, was die meinen & tun (obwohl das manchmal dann fein postmodern und Metaebene wird), sondern eben was Drittes.
Weil das, was Antisemiten meinen, so falsch ist, dass nicht einmal das Gegenteil richtig sein kann.
Es verhält sich doch wie bei den Stolpersteinen: Da passt nichts zusammen, nicht die Überzeugung des Demnig und seiner Lobby zu den Überzeugungen der Ermordeten und zu denen ihrer Nachkommen, nicht der Respekt vor Namen (schamor we sachor) mit Fußtritten darauf – nichts passt.
So wenig die Schoah überhaupt zur condition humaine passt. Oder so wenig, wie der Antizionismus zur menschlichen Vernunft passt.
P.S.
Ich erklär jetzt mal die Folgerichtigkeit der Demnigschen Stolpersteinideologie:
Die Stolpersteinjuden sollen gedemütigt werden: Weil es sich so gehört. Schließlich wurde Jesus gedemütigt, gekreuzigt und starb eines schrecklichen Todes, obgleich unschuldig. So wie die Juden der Schoah. Weswegen deren Namen im Staub liegen und von Herr und Hund angeschifft werden müssen, damit es einen im Innersten bewege!, und damit klar ist, dass es dabei bleibt.
Und damit man Israels Taaaten aushält!, ja diese zionistischen Taaaten, die man ja nicht aushalten könnte, wenn die Namen derer womöglich erhöht oder nur respektiert wären, die in der Schoah ermordet wurden. Also muss man die weiter erniedrigen, denn so hat das jüdische Schicksal zu sein.
(So, jetzt hab ich endlich auch mal antisemitelt. Uff, wurde Zeit)
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Mag sein, Du hast versucht, zu antisemiteln. Herausgekommen ist lupenreine christliche Theologie: Die Juden müssen bis ans Ende der Zeiten leiden, weil sie Jesum nicht anerkannt haben.
Sie müssen gedemütigt, zertreten werden: Dazu veranlassen die Stolpersteine wunderbar.
Ob der Herr Demnig vom Vatikan gesponsert wird?
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Das wird er mit Klauen, Zähnen und allen Steinhämmern bestreiten, er ist doch so links (-;
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Der Einfall der Schauspielerin Margarita Broich, die Ermordete Selma Jacobi zum Tatort-Leben zu erwecken, erscheint einem je länger, umso perverser.
Selma Jacobi, liest man, war 89 Jahre alt, als sie in dieser oder jener Weise in Theresienstadt zu Schanden kam.
Ich kenne die Altersstatistiken der Nazis nicht, bin jedoch fast sicher, dass die meisten Schoa-Opfer jünger waren als Gweret Jacobi.
Und jetzt stelle man sich den Eindruck vor, den die Altersangabe 89 auf so vornehme Persönlichkeiten wie Walter Herrmann und Klaus Franke machen dürfte. – Nun ja, ohnehin…
Und was ist mit der Schauspielerin selbst? Warum identifiziert sie sich mit einer Greisin dawke?
Oder geht es hier um den subtilen Versuch, die Nazis zu entlasten?
Ja, rein statistisch, nicht wahr…
Wie sagte eine Hörerin der Jüdischen Volkshochschule in Berlin, Theologie-Studentin ihres Zeichens? „Die Holocaust-Opfer wären jetzt sowieso alle tot“. Ich verbürge mich für die Echtheit des Zitats.
Darauf wäre nicht einmal RC in einer Erzählung gekommen.
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…er wird es prompt in einer Erzählung verbraten, sei sicher.
À propos, was wurde denn darauf so geantwortet?
P.S.
Ausgerechnet der Tatort staatstragend. Der Tatort als nationale Institution, der einen mahnenden Beitrag leisten will gegen das Vergessen.
Manches werd ich nie verstehen, weder so noch so… aber Florian Silbereisen wird einst Bundeskanzler werden. Oder nein, es wird ja eine Frau sein müssen. Frau Broich soll. Die ihren Beitragsmahn gegen das Gedenkvergessen geleistet hat
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Reale Situationen sind nicht immer glatt.
Als der Satz der Theologie-Studentin fiel, stand ich in der Tür neben dem Iwrit-Lehrer N. Y. Erinnere noch die Lähmung, die mich erfasste, und mein ungeschickter Versuch, sie zur Rücknahme ihrer Aussage zu bewegen: „Du kannst Ermordung nicht mit natürlichem Tod vergleichen.“ Sie (mit Härte in der Stimme): „Tot ist tot“.
N. Y, der nichts gesagt hatte, erklärte mir daraufhin, dass die junge Frau – wie hieß sie noch? – leukämiekrank sei, weshalb man nachsichtig sein sollte. Sie starb kurz danach. Habe sie nie wieder gesehen.
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… dann hat sie sich gnadenlos als gnadenloses Opfer gefallen (kam sich selber ermordet vor?)
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Und wen kümmert mein Tod? ist natürlich die Frage dahinter.
Was macht man da? Überhört man den Ruf nach Mitgefühl und erwidert sachlich auf eine sachliche Ungeheuerlichkeit?
Ist das Volk Israel denn für alles zuständig? Für die Todesangst des einen, die schwere Kindheit eines zweiten, die Schauspielerkarriere eines dritten?
Wie hättest Du sie zur Rede gestellt?
Mich hat albernerweise am meisten der Umstand schockiert, dass die Hörerin das in unserem Hause gesagt hatte. Bei uns zu Haus, im Gemeindegebäude. Dass man also nirgends mehr sicher sein konnte.
Warum schließt man sich der Gemeinde an? Nicht aus Liebe zu den Einzelnen, sondern aus Vorsicht vor den Anderen, nicht? Es muss in jeder Stadt eine Antisemitismus-freie Zone geben können, wo man Iwrit reden kann, ohne die Stimme zu senken, wo man seine Sorge um Angehörige und Freunde in Israel, und vieles mehr, unter Gleichfühlenden aussprechen kann.
Doch diese Trennung zwischen drinnen und draußen hilft jetzt bei der Beantwortung der Frage nach einer angemessenen Reaktion.
Was in einer Therapiestunde richtig gewesen wäre: die Aussage der Hörerin als Ausdruck von Todesangst aufzufassen und das Schein-Sachliche zu übergehen, war an der VHS falsch. Der Dozent hätte was sagen müssen.
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… ich überlege seit Tagen, was ich wohl gesagt hätte.
Aber ich hätte was gesagt, ohne zu überlegen. Dieses: „Was?, sind die Opfer der Schoah Verkehrsopfer, oder sind sie an Altersschwäche gestorben?“
Scheußlicher Satz
Den hätt ich gesagt. Ziemlich laut.
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Sowas nennt man Betroffenheitsfetischismus. Ekelhaft ist das!
Erst wird man vertrieben und ermordet und weggeschickt und jetzt soll man einen Stolperstein bekommen, der den Deutschen dazu dient sich Würde, Trauerarbeit und vor allem Ansehen zu verleihen. Die Opfer werden sozusagen nocheinmal verachtet, vertrieben, vergast.
Nein, ich bin kein Jude und ja ich bin Deutscher und selbstverständlcih ist das eine Frechheit wie auf Opfern buchstäblich rumgetreten wird!
PS: Dieser (Tote-)Juden-Fetischismus ist wirklich ekelhaft!
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Haben diese Leute schonmal drüber nachgedacht, ob die Toten überhaupt noch in Deutschland symbolisch präsentiert und gedemütigt werden wollen würden?
Und ausgerechnet mit einem Goldstein, wo doch die Nazis den Juden Geld und selbst die Goldzähne genommen haben und das Geld für Antisemitismus bis heute anfeuert.
Das was Leute toten Juden „guttun“, tun Leute lebenden Juden schlecht.
Wie sagt man so schön bei uns: Die Menschheit ist verrückt!
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*den Antisemitismus
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Da hast Du Recht, mit allem, was Du da sagst
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