Halt´s Maul, Pfaffe!

Halt´s Maul, Pfaffe!

Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, machte gestern so öffentlich wie publikumswirksam von seinem Recht auf Empörung Gebrauch. Dass begleitende ´Event´ fand auf der Domplatte statt. Der Internet-Nachrichtendienst Express.de titelt dazu heute recht passend: “Gänsehautstimmung am Roncalliplatz“. Noch passender die Unterzeile zur Hingucker-Schlagzeile: „Kardinal Woelki: Flüchtlingspolitik ist Europa unwürdig.“ Watt´n Klarsprecher, der Erzeiserne. Da konnte oder wollte jemand wohl einfach nicht still halten im Schatten seines Dienstherren, der uns zeitgleich mit einer Umweltenzyklika die trägen Ohren langzog. Und weil sich die katholische Kirche dem Zeitgeist neuerdings immer unverzagter anbiedert – wie eine Hure, die ihr enge Röckchen lüftet – konnte auch der Herr Woelki am Weltflüchtlingstag nicht die Klappe halten. Ganz im Gegenteil.

In der drögen Lokalzeit vom WDR war man zunächst etwas besorgt, ob die Sakro-Demo wirklich zöge, denn infolge strömenden Regens lümmelten sich anfangs nur ein paar Hanseln auf der versiegelten Grundfläche im Schatten des Doms. O-Ton des vor Ort näselnden, ein wenig frierenden Korrespondenten: “Das liegt natürlich am Wetter.“ So weit reicht das Verständnis sich empörender Gutmenschen-Kollektive dann wieder nicht, dass sie, der Torturen Tausender gedenkend, nass werden wollen. Der Regen ließ schließlich nach, der Platz füllte sich noch recht ordentlich, und wenn die behaupteten viertausend Teilnehmer auch nicht zu den deutlich lichten, losen Reihen passten, die man heute auf den Bildern und Videos im Netz erkennen kann, so war doch immerhin der ´Gänsehautabend´ nebst begleitender Mahnwache gerettet: “Auf dem Roncalliplatz war es mucksmäuschenstill, als Woelki seine Predigt zur „Globalisierung der Nächstenliebe“ gehalten hatte. Minutenlanges Schweigen, auch das ein Zeichen.“ Woelki erwähnte in seiner entfernt an Agitprop erinnernden Open-Air Predigt ein Schiff, das ein Malteser Ehepaar gestiftet habe, um Flüchtlinge zu retten; dafür, so der Kardinal, wolle er jetzt sammeln (lassen). Donnerwetter, da tut sich was. Schon toll.

Die Rede verfing. Der Erzbischof, sonst eher ein Langweiler vor dem Herrn, gab echt alles, gab sozusagen den forschen Franz. Und begeisterte. Klatsch-selige Zustimmung, als er der Gemeinde schnell noch das Einmaleins der Nächstenliebe näher brachte: „Die Flüchtlinge wollen nur eins: leben. Aber die derzeitige Flüchtlingspolitik schützt Grenzen, nicht Menschen. Das ist Europa unwürdig, verdammt noch mal. Wir müssen handeln, die Flüchtlinge retten und sie willkommen heißen.“ Und damit von den Anwesenden auch keiner das inszenierte Rührstück so schnell vergäße, setzten die ´Macher´ anschließend noch einen drauf:“ …dann läutete ab 19.57 Uhr der dicke Pitter, um 20 Uhr stimmten die Totenglocken von 230 Kirchen im Erzbistum mit ein. 23 000 Glockenschläge für 23 000 Tote – bei vielen auf dem Roncalliplatz flossen da schon die Tränen.“ Herrlich. Wer bei sowas dabei sein darf, der kommt wirklich auf seine Kosten. Gratis.

„Wir müssen handeln…“ forderte der Erzmahnende. Frage: wer sind ´wir´ eigentlich, Herr Woelki? Man könnte auch fragen, in wessen Namen so einer spricht, lässt man den Allmächtigen mal für Momente aus dem Spiel. Woelki drückte gestern auf die Tränendrüse, er klagte an und teilte aus, aber die tatsächlichen Ursachen der Misere wagte auch er nicht zu benennen. Und log, dass sich die Balken im Domstuhl bogen. So sprach er ganz selbstverständlich von Flüchtlingen, obschon die Mehrzahl dieser Menschen Armutsmigranten sind. Die wären schon viel früher in Erscheinung getreten, wenn nicht der gemeuchelte libysche Diktator das sich weitende Einfallstor gegen Bezahlung verlässlich gehütet hätte. Das ein gewisser französischer Ex-Präsident mittels gezielter Luftschläge die entsprechende Schützenhilfe bot und jetzt einen Rohrbruch beklagt, hat schon ein Geschmäckle, aber solches zu erwähnen verbot sich, das passte nicht zum süßen Entsetzen derer, die gerade auf dem Empathie-Trip waren, in Stimmung gebracht vom künftigen Kurienkardinal, so sauer hat man´s nicht gern, wird einem grad die Gänsehaut gekitzelt. Passt halt einfach nicht ins Bild.

Auch der Empörer selbst passt da nicht wirklich rein. Die Faktenlage ist eindeutig. Es soll dies nicht der Ort sein, die steile Karriereleiter eines im Dutzend konsekrierten Kardinals nachzuzeichnen. Er, der sich passend zu seinem neuen Dienstherren progressiv und weltoffen gibt, hatte noch als Weihbischof zu Köln in einem Personalgespräch mit Georg Schwikart, einem damaligen Kandidaten für das ständigen Diakonat, Homosexualität als Verstoß gegen die „Schöpfungsordnung“ bezeichnet. Na ja, da hatte halt noch der Ratzi als Papi das letzte Wörtli, an das sich der brave Woelki hielt.

Heute steht er dem Erzbistum Köln, eine der ältesten römisch-katholischen Diözesen des Landes, als oberster ´Hirte´ vor. Und beklagt mangelnde Hilfs- und Spendenbereitschaft; fordert dieselbe vielmehr ganz unverhohlen von den Gläubigen ein, die ihm schuldigst lauschen. Woelki lässt sammeln. Seltsam. Hat er, hat sein Bistum das nötig? Die Höhe des Vermögens des Bischöflichen Stuhls betrug im Erzbistum Köln im Oktober 2013 rund 160 Millionen Euro. Das Immobilienvermögen des Erzbistums und des Bischöflichen Stuhls wurde mit 612 Millionen Euro bewertet. Wir wissen das nur deshalb so genau, weil das Erzbistum seit 2013 erstmals seine Vermögensverhältnisse offenlegt. Der Almosen-Eintreiber Woelki, soviel steht fest, verwaltet ´daheim´ einen horrenden Reichtum. Im Finanzbericht für das Jahr 2013 wies das Bistum eine Bilanzsumme von 3,35 Mrd. € aus. Dabei fielen auf Finanzeinlagen etwa 2,4 Mrd. und auf Sachanlagen 646 Mio. €. Die Sachanlagen bestanden im Wesentlichen aus Immobilien wie beispielsweise Schulen und Tagungshäusern. Etwa 15 % des Immobilienbestands werden vermietet und erzielen Erträge. Unverkäufliche Kunstschätze, wie beispielsweise der Dreikönigsschrein im Kölner Dom, wurden nicht nachjustiert. Der Kölner Dom selbst ist mit einem symbolischen Betrag von einem Euro bewertet. Der Jahresüberschuss des Erzbistums lag 2013 bei etwa 59 Mio. Euro. Mal ehrlich: hat es der ´Chef´ eines solchen ´Unternehmens´ wirklich nötig, Kohle einzutreiben um Hungerleidern über die kläglichen Runden zu helfen? Kann und darf der seinen Schäflein solcherart die Wolle stutzen? Auf der Domplatte spielte er den Befreiungstheologen. Vom eigenen Vermögen wollte und will sich dieser Aufrührer nicht um einen einzigen Cent befreien.

Von sich und seinem Bistum durfte gestern Abend also nicht die Rede sein. Davon hätte mancher vielleicht auch eine Gänsehaut bekommen. Peinlich. Damit kann man den Mob unmöglich allein im Regen stehen lassen. Auch nicht mit der Aussicht auf Szenarien, die nur den ohnehin notorischen Fremdenhass geschürt hätten, dessen sich die Gutmenschen selbst kaum bezichtigen, wiewohl er längst in ihren Reihen grassiert. Schizophren hat sich der Gut- und Wutbürger schon immer verhalten, das hat in seinen Kreisen Tradition. Seine ´Eliten´ predigen Verantwortung und beschwören immerzu die ´Gemeinschaft´. Derer es viele gibt. Entwickelten die Migranten, um die sich Woelki sorgt, einmal eine Art kollektives Gemeinschaftsgefühl, aus Archetypen schöpfend, die diesen Menschen selbst noch nicht bewusst sein mögen, dann sähen sich die ohnehin schon heillos überforderten Gemeinden der Republik einer Problematik ausgesetzt, auf die sie und ihre ´Schutzbefohlenen´ psychologisch in keinster Weise vorbereitet sind. Solch kollektiver Koller lässt sich schüren; und wie. Der wird über die üblichen Sitz- und Hungerstreiks, die gelegentlichen Haus- und Straßenbesetzungen deutlich hinaus gehen. Aber der Erzbischof von Köln wird dann ganz bequem auf einem ´Wellness-Woelkli´ im Vatikan sitzen und den Sturzregen abwarten, der sich auf die Ahnungslosen und ihre Gänsenhäute wie eine Sintflut ergießt. Gestern mahnte er zur Einsicht. Er hätte besser sein Maul gehalten.

Shanto Trdic, 21.06.2015

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8 Antworten zu Halt´s Maul, Pfaffe!

  1. Hein schreibt:

    23.000 Glockenschläge: Unsere Schande sei es, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Ist es nicht die Schande der afrikanischen Staaten, dass sie trotz Rohstoffreichtums, statt Entwicklungshilfe seit Jahrzehnten nicht in der Lage sind, menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen? Ist es nicht ihre Schande, dass Korruption, Kindersoldaten, Kriegsverbrechen, Mädchenbeschneidung gang und gäbe sind?

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    • schum74 schreibt:

      Nun ja, Hein. Sie nehmen Afrikaner eben ernst, sehen in ihnen Ihresgleichen. Das tut ein Woelki und sein Anhang nicht. Weshalb nicht Woelki & Co, sondern Unsereiner rassistisch ist.

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      • Aristobulus schreibt:

        … es iist eben verdammt rassistisch (pardon, „verdammt nochmal“ sagte allerdings auch der reiche arme Kardinal), wenn man von unterdrückten Nichtrassisten verlangt, was man von rassistischen Unterdrückern ohnehin verlangt.

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  2. schum74 schreibt:

    Ein Malteser Ehepaar hat ein Schiff gestiftet, das Flüchtlinge retten soll? Sie sind nicht nachtragend, die Malteser. Auch wenn Not leidende Flüchtlinge von ihnen nicht gerettet werden wollen, fahren sie fort, für sie zu sorgen.
    Hier aus: Times of Malta, 04.05.2015: “Migrants refusing help from Maltese patrol boats”

    Maltese patrol boats have not been picking up migrants at sea because the migrants themselves refuse to be rescued by Maltese boats, the commander of the AFM’s maritime unit, Lt Col Andrew Mallia has been quoted as saying by the Italian newspaper La Repubblica.

    He said that whenever Maltese patrol boats intercepted migrants’ boats the migrants invariably refused help.

    He explained that the migrants did not want to come to Malta because that would make it difficult for them to proceed to Northern Europe. (…)

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  3. schum74 schreibt:

    In einem Artikel für die Basler Zeitung (22.04.2015) erklärt Eugen Sorg nüchtern und ohne Glockenschläge wie das Sterben auf dem Mittelmeer beendet werden könnte. Zitat:

    Die erste Strategie wäre, dass die Europäischen Staaten ihre Einwanderungsgesetze anwenden, alle illegalen Migranten konsequent abfangen und in ihre Ursprungsländer zurückführen würden. Damit wäre natürlich nichts gegen die afrikanische Armut getan, dafür gäbe es keine jämmerlich ertrunkenen Menschen mehr, den Schleppern wäre die Fracht ausgegangen. (…)

    Die zweite Strategie bestünde darin, Europas Grenzen abzuschaffen und in einer koordinierten Aktion zu Wasser und zu Land den sicheren Transfer der Einwanderer zu garantieren. Eine Million soll bereits jetzt an der libyschen Küste auf eine Überfahrt warten, so gefährlich diese auch ist. Bei einer Grenzöffnung würden sich Abermillionen umgehend auf den Weg machen, und der irre Gaddhafi entpuppte sich im Nachhinein als Prophet: «Europa wird schwarz.»

    Man kann es drehen und wenden, aber eine dritte Strategie zur Vermeidung der Schiffstragödien gibt es nicht. Solange die Situation ist, wie sie ist, werden Leute aus ärmeren Regionen versuchen, nach Europa zu gelangen, und das Risiko laufen, dabei zu sterben.

    Zitat Ende.

    Was Sorg in diesem Artikel nicht schreibt, was sich aber von selbst versteht: Bei Grenzöffnung, so wie sie Kardinal Woelki und alle Gutmenschen, die noch nicht teilen müssen, von Herzen wünschen, würde Europa nicht nur schwarz: Sie würde muslimisch. Und zwar schneller als manchen Frauen auf dem Roncalliplatz lieb sein könnte. Sie haben mehr zu verlieren als ihre Männer, die lieber konvertieren werden als sterben. Nur sagt es ihnen keiner, jedenfalls kein kirchlich und medial anerkannter Guter. Sie hören lieber Kardinal Woelki zu und vergießen Tränen der Rührung über ihre künftigen Herrscher.

    Vor nicht allzu langer Zeit pflegten Kirchenglocken den Juden Unheil anzukündigen. Heute kündigen sie den Christen Unheil. Nur dass die Christen das nicht wissen.

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