Unter Anregung von Rabbi Dr. Nathan Lopes Cardozo,
Dekan der David Cardozo Akademie in Jerusalem
http://www.jpost.com/Opinion/Make-anti-Semitism-a-source-of-Jewish-pride-405207
Juden haben Unglücksfällen und Misshandlungen getrotzt, besondere Charakterzüge entwickelt und sich nebstbei die herzliche Abneigung aller anderen Völker erworben. Woher diese Lebensfähigkeit der Juden kommt und wie ihr Charakter mit ihren Schicksalen zusammenhängt, davon möchte man gerne mehr verstehen.
„Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ ist die letzte Schrift von Sigmund Freud, die er in seinem Todesjahr 1939 im Alter von 82 Jahren im Londoner Exil herausgegeben hat. In Österreich hat Freud das Buch nicht veröffentlicht, da er die Rache der mächtigen Katholischen Kirche befürchtet hat. Seinen Umzug nach England, der dem Einmarsch der Nazis in Wien folgt, sieht Freud als Fingerzeig Gottes, dass er doch noch sein wichtiges Werk zu Lebzeiten an die Leser verteilen darf. Damals wird sein Buch stark angegriffen. Heute stimmen viele christliche Theologen und wenige Rabbiner Sigmund Freud zu.
Was sind die Wurzeln des Antisemitismus? Viele Ursachen des Antisemitismus, die sich gegenseitig ausschließen, sind erwogen worden. Eine Ursache des Antisemitismus wird ständig ausgeblendet, obwohl sie mit hoher Wahrscheinlichkeit der wichtigste Grund für den Judenhass ist.
Beginnen wir mit der Erbsünde, die Paulus einführt und für ein Verbrechen gegen Gott hält, welches nur der Tod sühnen kann. So kommt mit der christlichen Erbsünde der Tod in die Welt. In allen christlichen Traditionen basiert die Erbsünde, die im Judentum unbekannt ist, auf die Trennung des Menschen in Gestalt von Adam und Eva von Gott. Nur mit Jesus’ Hilfe kann die Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt werden. Gott ist der Vater, Jesus ist der Sohn. Da die Juden Jesus nicht als Gott anerkennen, bleibt das Judentum eine Vaterreligion, das Christentum wird zur Sohnesreligion.
Geschichtlich und psychologisch hat die todwürdige die „Erbsünde“ nichts mit Adam und Eva zu tun. Für Freud ist die „Erbsünde“ der Mord am später vergötterten Urvater, der von allen Stammesmitgliedern zum ersten Mal reell, anschließend symbolisch verspeist wird (Eucharistie). Der von den Israeliten ermordete Urvater ist niemand Anderes als Moses der Ägypter, der seinem neuen Volk einen Monotheismus einbläut, den nicht einmal Ägypten in solcher Reinheit und Strenge gekannt hat. So lässt sich einfach erklären, warum Moses niemals das Heilige Land betritt. Offiziell stirbt Moses auf dem Berg Nebo, der heute in Jordanien liegt. Geschäftstüchtige palästinensische Araber haben den Berg Nebo in die Nähe Jerichos transferiert. (Palästinenser erkennen den Mord an Moses nicht an.)
Tiefenpsychologisch lässt sich der Mord am Vater nur durch die Tötung des Sohnes sühnen. Somit haben Christen Recht, wenn sie den Juden Gottesmord vorwerfen, auch wenn sie fälschlicherweise damit die Kreuzigung Jesus meinen. Da Juden den Mord an Urvater Moses abstreiten, entsteht ein definitorisches Durcheinander, welches in Mord und Totschlag für Juden endet.
Der nächste Grund für den Antisemitismus ist die Auserwähltheit der Juden in einem Bund mit Gott, den die Christen den Juden neiden. Der Verlauf der Weltgeschichte scheint die jüdische Anmaßung zu rechtfertigen, denn als es später Gott gefällt, der Menschheit einen Messias und Erlöser zu senden, wählt er ihn wiederum aus dem Volke der Juden. Es ist die Auserwähltheit, an die sich die Hoffnung auf Belohnung, Auszeichnung, endlich auf Weltherrschaft knüpft. Diese letztere Wunschphantasie, vom jüdischen Volk längst aufgegeben, lebt noch heute bei den Feinden des Volkes im Glauben an die Verschwörung der »Weisen von Zion« fort. Die katholische Kirche betrachtet sich und nicht die Juden als von Gott auserwählt. Die wenigsten Christen sind davon überzeugt.
Der Monotheismus verlangt von seinen Anhängern eine strenge Pflichterfüllung, wie sie beim Islamischen Staat vorzufinden ist. Sie wird Ethik genannt. Abweichungen von der Ethik werden gewöhnlich mit dem Tod bestraft. Die strenge monotheistische Ethik beruht auf Triebeinschränkung. Gott wird der Sexualität völlig entrückt und zum Ideal ethischer Vollkommenheit erhoben, dem die Menschen, zumindest der Papst, folgen sollen. Sexualverkehr innerhalb der Familie gehört zu den todeswürdigen Verbrechen, welches nicht auf das Wissen der Genetik beruht. Zu den Pflichten der ägyptischen Pharaonen, die wie alle Blaublütigen bis heute als Götter verehrt werden, gehört es, dass sie ihre Geschwister heiraten. Auch die griechischen Götter leben endogam. Für den durchschnittlichen Bunte-Leser ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alle Königs- und Fürstenhäuser Europas miteinander verwandt sind.
Hauptsächlich jedoch erkennt Freud im Antisemitismus den Ausdruck von Ressentiments vieler Christen und Säkularer, die die Juden für die Entstehung der christlichen Religion und Moral verantwortlich machen. Diese Menschen unterscheiden sich kaum von ihren Vorfahren, den barbarischen Heiden. Sie haben ihren Groll gegen die neue, ihnen aufgedrängte Religion nicht überwunden, aber sie haben ihn auf die Quelle verschoben, von der das Christentum zu ihnen kam. Ihr Hass auf das Judentum ist ihr Hass auf das Christentum.
Das Christentum und die westliche Zivilisation verdanken die meisten ihrer zivilisatorischen, also moralischen Werte dem Judentum. (Orson Wells sagte einst in einem Radio-Interview, dass ohne die Beiträge der Griechen und Römer wir in einer weit ärmeren Zivilisation leben würden; ohne die Juden hätten wir überhaupt keine Zivilisation.)
Diese jüdischen Werte werden nicht nur von christlichen Antisemiten bekämpft. Die zum Christentum bekehrten Heiden können sich nicht von ihrem alten Glauben losreißen. Die christliche Religion hält die Höhe der Vergeistigung nicht ein, zu der sich das Judentum aufgeschwungen hat. Das Christentum ist nicht mehr streng monotheistisch, sondern henotheistisch (polytheistisch mit einem Hauptgott), übernimmt von den umgebenden Völkern zahlreiche symbolische Riten, stellt die große Muttergottheit wieder her und findet Platz zur Unterbringung vieler Göttergestalten des Polytheismus. Theologisch nicht versierte Christen sind unfähig, zwischen den moralischen Forderungen des Monotheismus und den heidnischen Praktiken zu unterscheiden. Bedeutende christliche Theologen wissen, dass die Kirche niemals die Synagoge im Kampf gegen den Polytheismus ersetzen kann, da die Kirche selbst vom Heidentum stark beeinflusst ist. Nur das Judentum ist fähig, die Christen vom Heidentum zu bewahren.
Die meisten Christen nehmen den monotheistischen Gott nicht an. Die ethischen Anforderungen des monotheistischen Gottes an die Menschen verlangen Verzicht, eine harte Selbstdisziplin und eine Triebeinschränkung, welche einen ebenso harten Widerstand erzeugen. Zudem ist Jesus ein Jude, dessen ethische Werte dem Judentums entstammen, die er in seine Lehre einfügt. Antisemiten lehnen Jesus ab, was bedeutet, dass judenhassende Christen sich gegen ihre eigene Religion wenden.
Der Antisemitismus ist Europas Rache gegen die Propheten der Thora. Der Jude wird verfolgt, da er die Ethik und somit die Erkenntnis der Sünde in die Welt gebracht hat. Der Christ kann dem Juden nicht verzeihen, dass er ihm dieses Wissen gebracht hat. Nicht weil sie gute Christen sind, sind Christen Antisemiten, sondern weil sie schlechte Christen, in Wahrheit unterdrückte Heiden sind. Sie greifen diejenigen an, die verantwortlich für die Entstehung des Christentums sind. Sie verurteilen die Juden nicht, weil diese Jesus getötet haben. Sie verurteilen die Juden, weil sie Jesus hervorgebracht haben.
Teile der westlichen Welt haben versucht, das Christentum vom Judentum abzutrennen, da sie es nicht aushalten, dass das Christentum dem Judentum so viel schuldet. Die Schuld soll in Vergessenheit geraten. Antisemiten widersetzen sich ihrem Schicksal, indem sie diejenigen vernichten, die sie an ihr Schicksal erinnern. Der Jude stört das Leben des Antisemiten, da er ihn an die Ethik der Thora erinnert, auch wenn die Lehre Jesus vom Judentum aus höchst unvollkommen ist. Der Antisemit erneuert die Kreuzigung seines Heilands, wenn er den Juden foltert und mordet, der die Lehre repräsentiert, die Jesus verwendet hat. So verwundert es nicht, dass viele Antisemiten die Gelegenheit ergreifen, Juden Verbrechen vorzuwerfen, wenn sie gezwungen sind, sich zu verteidigen. Juden dürfen sich nicht verteidigen. Die Antisemiten sind Opfer ihrer unbewussten Abneigung gegen jüdische Werte, die der christliche Messias verkündet hat.
Einer der wichtigsten Werte der Thora ist die Freiheit des Menschen. Aktuell (Griechenland, Ukraine, Iran, Flüchtlinge) erlebt Europa eine Zunahme heidnischer Einstellungen und den Verlust jüdischer Werte. Dieses Verhalten beschert Europa Verwerfungen, die nur dann umkehrbar sind, wenn die Menschen Europas verstehen, dass die Delegitimierung Israels und der Juden ihnen zum Verhängnis wird. Europa kann sich der vielen Nichtjuden, darunter anständige Christen, glücklich schätzen, die die Gefahren erkennen und abwenden wollen.
Der islamische Judenhass folgt im Wesentlichem dem Vulgärantisemitismus. Viele Muslime geben den Juden die Schuld am Islamismus. In ihrer Reinheit unterscheidet sich die Lehre des Islamismus nicht vom radikalen Frühislam, der vergeblich versucht hat, den jüdischen Moralvorstellungen zu genügen. Mohammed bleibt nur übrig, die Thora als Fälschung darzustellen. Während die meisten Christen die (modifizierte) Thora (Altes Testament) als Teil ihres Glaubens ansehen, setzt sich der Koran an Stelle der Thora. Die Folgen sind für jeden sichtbar, für viele sogar spürbar.
Juden müssen das Faktum berücksichtigen, wenn sie den Antisemitismus bekämpfen wollen: Der Antisemitismus ist kein jüdisches Problem. Die Juden müssen die Welt von der Kraft ihrer Ethik überzeugen, die Weltgemeinschaft muss den Frieden mit der Ethik des Judentums schließen. Nur wenn die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird, besteht eine Chance, dass der Antisemitismus schwindet und die Welt friedlich wird.
Bis dahin sollen Juden den Antisemitismus als Quelle des jüdischen Stolzes betrachten. Die Juden müssen aufhören zu glauben und zu verbreiten, dass sie grundlose Opfer des längsten und bösartigsten Hasses der Weltgeschichte sind. Das Gegenteil ist wahr! Die Juden werden aus gutem Grund gehasst! Sie werden gehasst, weil das Jüdische Volk während der gesamten menschlichen Geschichte mutig gewesen ist, gegen eine Welt aufzustehen und zu protestieren, die sich dem Heidentum, der Gewalt und dem Unrecht verpflichtet fühlt. Die Juden müssen ihren Kindern lehren, dass es ihre Pflicht ist, die Arbeit der Propheten als das moralische Gewissen der Welt fortzusetzen.
Lasst uns wenigstens für einen wahren Grund gehasst werden und lasst uns stolz darüber sein.
PS:
Freud beschreibt in seinem Buch nur Köln als antisemitische Stadt in Deutschland. Er berichtet über die Beschneidung, die als christliche Kastrationsangst bis heute Köln beherrscht. Antisemitische Hetzkampagnen auf den Straßen Kölns und vor dem Dom erwähnt er nur beiläufig.
Gute Analyse. Einiges davon überschneidet sich mit einer Theorie, die ich mir schon vorher zu eigen gemacht hatte. Dabei liegt der Schwerpunkt etwas anders, nämlich auf der geistigen Unabhängigkeit der Juden gegenüber den Machtansprüchen der Ideologien, mit denen sie konfrontiert waren, wie des Kaiserkults, eines dogmatischen Christentums und des Islam.
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Yep, yep und nochmal yep, Dante.
Von Anfang an will das Judentum weder das Hergebrachte, noch das ‚Natürliche‘, und kaum Juden sind jemals woanders mitmarschiert, wenn ‚Natürliche‘ oder Hergebrachtes oder gar Personenkult mit Unterwerfung (Götzendienst) von ihnen verlangt wurde.
Und was passierte sofort: Der Pharao wollte die Juden vernichten, warum: Weil sie sich nicht in die ’natürliche‘ Sklavenordnung einfügen wollten. Nach der Flucht aus dem Sklavendasein kroch sofort noch einer heran, Amalek, der die Juden vernichten wollte, weil sie was gegen ‚Natürlichkeit‘ hatten: Gegen das Fressen & Gefressenwerden, gegen das Immer-mit-mim‘-Schmidt, gegen das allgemeine Aufgehen im Stammesdasein, gegen das gewachsene Haustyrannentum.
Leuten, die das so tun (selbst indem sie Andere nicht dazu missionieren!), blüht der Hass der ‚Natürlichen‘.
Na und wenn schon!
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Der Autor möge es mir nicht als Unhöflichkeit auslegen, dass ich mich in einem ersten Kommentar mit Cardozos Essay beschäftige, und zwar noch vor Lektüre seines eigenen Artikels. Warum noch davor? Um gerade nicht von ihm beeinflusst zu werden. Danach widme ich mich Nathan Warszawski ganz und gar. Versprochen.
Es ist schon beeindruckend, wie oft Juden und Nicht-Juden denselben tiefen Grund für Judenhass neu entdecken. Immer neue Amerika-Entdecker.
Allen vorausgegangen sind vermutlich die Talmud-Weisen, die einen Zusammenhang zwischen Ssin’á (Hass) und Sinai, dem Berg der Tora-Übergabe, erkannt haben.
Warum hasst man uns so sehr, fragen sie? Nicht wegen unserer Fehler, sondern wegen unserer Überlegenheit. Die Sinai-Ethik, die ruft Sin’a hervor.
כתוב בחז“ל וגו‘ שהר סיני נקרא סיני מלשון שנאה (שבת פט א), ששם ירדה שנאה של אומות העולם לישראל, לכאורה סיני זה רק היה המיקום שבו ניתנה התורה, שנאה או הקנאה כמו שכתוב בחז“ל זה היה בגלל התורה שניתנה לישראל, ובכל זאת חז“ל משייכים זאת להר סיני, כאילו המקום גורם שמשם ירדה שנאה של אומות העולם לישראל. (מרכז הרב)
[Steht bei Chasal geschrieben, dass der Name Sinai auf Ssin’a zurückgeht, denn an diesem Berg fiel der Hass der Völker auf Israel herab. Man könnte sagen, dass Sinai nur die Stelle sei, an der die Tora gegeben wurde, während Ssin’a (Hass) oder Kin’a (Neid) der Tora gelten, dennoch legten Chasal Wert darauf, beides miteinander zu verbinden, als würde der Ort den Hass der Völker auf Israel hervorgerufen haben. (Aus der Jeschiwe Merkas ha-Raw).]
Aber auch vor Sigmund Freud hat es Nietzsche gewusst:
„Ähnlich wie bei Voltaire wurde Nietzsches Haltung gegenüber dem antiken Judentum gleichfalls durch seine Einstellung zum Christentum mitbestimmt. Auch er hatte dem Christentum den Kampf angesagt und dem antiken Judentum vorgeworfen, dass es das Christentum zum Entstehen gebracht und dass es an die Stelle der Herrenmoral, der Moralität der Starken und Mächtigen, die Moral der Armen, Kranken und Sklaven gesetzt habe.“ (Zit. n. Ursula Homann, „Voltaire, Nietzsche und die Juden“).
Freud hat überhaupt viel Zeit damit verbracht, wieder zu entdecken, was die Rabunim gewusst haben. So bemerkte schon der Ramban (Mosche ben Nachman) im 13. Jh.: « La sexualité est la force la plus profonde qui agit en l’homme. » ‒ Die Sexualität ist die tiefste Kraft, die im Menschen wirkt. (Zit. n. Gérard Haddad, AKADEM-Vortrag zu „Acharej Mot“, 2014).
Das gleiche gilt für seine Traumdeutung. Die hätte er im Talmud-Traktat „Brachot“ finden können, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, bei den eigenen Leuten in die Schule zu gehen.
Aber zurück zu den guten Gründen, die Juden und Israel zu hassen. Der Zusammenhang zwischen jüdischer Moral und Judenablehnung hat Hitler himself auf den Punkt gebracht:
„Die Geschichte wird unsere Schlacht für die Befreiung der Menschheit vom Fluche des Berges Sinai erkennen … Wir kämpfen gegen den Fluch der sogenannten Moral. Gegen die Zehn Gebote, gegen sie kämpfen wir.“ (Rauschning; zit. n. Chaim Noll, „Kampf dem Fluch von Sinai“, Welt Online, 24.04.2009)
Ende des vorigen Jahrtausends ist der israelische Historiker Yehuda Bauer (Die dunkle Seite der Geschichte. Die Shoah in historischer Sicht. Jüdischer Verlag, Frankfurt/M. 2001) wieder darauf gekommen: Der Nationalsozialismus richtete sich gegen alles, was bisher als menschlich galt, gegen Humanismus, Liberalismus, Demokratie, Sozialismus und Konservatismus, kurz: gegen die westliche Zivilisation selbst. Wer die westliche Zivilisation im Innersten zerstören will, muss dieses alte Volk angreifen.
Dazu der Kommentar von Hannes Stein („Warum die Juden?“, Welt Online, 17.11.2001). Zitat:
Yehuda Bauer ist ein Ungläubiger, ein säkularer Israeli. Seine Theorie deckt sich aber passgenau mit einer religiösen Interpretation. Als Gott den Juden am Sinai die Zehn Gebote gab, steht im Talmud, kam der Hass in die Welt. (Der Talmud spielt hier mit einer Ähnlichkeit zwischen dem Namen des Berges, „Sinai“, und dem hebräischen Wort für Hass, „sin’a“.) Denn nicht nur am Sinai war die Stimme Gottes zu hören, der die Zehn Gebote verkündete; sie hallte in allen Ecken der Welt wider; alle Nationen wussten seither, welche Forderung an sie gerichtet war, aber nur die Juden nahmen das Joch des Gesetzes auf sich. Diese ethische Überforderung hat man ihnen nie verziehen. „Das Gewissen ist eine jüdische Erfindung“, soll Hitler in einer seiner Tischreden gewütet haben. „Die Tafeln vom Berge Sinai haben ihre Gültigkeit verloren.“
Zitat Ende.
Vielleicht noch die schlichten Worte Dietrich Bonhoeffers (Ethik. Hg. Ilse Tödt u. a. Dietrich Bonhoeffer Werke, Gütersloh 1992):
„Eine Verstoßung der Juden aus dem Abendland muß die Verstoßung Christi nach sich ziehen; denn Jesus Christus war Jude.“
Kommt jetzt Rebbe Cardozo und schärft das Gewusste ein. „Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!“. Sagt sich so.
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http://www.mercazharav.org.il/default.asp?pg=3&id=962
http://www.ursulahomann.de/VoltaireNietzscheUndDieJuden/kap001.html
http://www.welt.de/welt_print/article1932872/Kampf-dem-Fluch-von-Sinai.html
http://www.welt.de/print-welt/article487737/Warum-die-Juden.html
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Danke, ma chère 🙂 , und Dein Verweis auf Nietzsche bringt es genauestens auf den Punkt.
Nietzsche hat philosophiert mit dem Hammer ohne Ende, hat hunderte Seiten nein tausende vollgeschrieben, er hat alle seine Kraft da hineingelegt, und soviel Kraft er auch besaß: Krankheitshalber brachte er es fast nur zu Aphorismen.
Seine Aphorismen sind zwar großartig, aber sie reagieren bloß. Er wollte freilich agieren-. Er hat es nicht geschafft, zerbrach mit 45 Jahren.
Er hat seine eigene Krankheit gehasst, die ihn vom systematischen Schwung eines unerschrockenen, alles Bisherige zusammenfassenden und überbietenden Weisheitsbuch abhielt.
Nietzsche krankte am elementaren Weggestoßenwerden. Er krankte selber an der Schwäche, die er nach außen hin am Christentum und an Richard Wagner (dem Exponenten von Niedrigkeit, Neo-Großchristentum mit eingebautem Judenhass, Großkotzigkeit und leer protzendem Wilhelminismus) gehasst hat. Als Lou Andreas-Salomé ihn am ganz langen Arm von sich weghielt und ihn nicht aufnahm, ist er verzweifelt wie ein Christ – er hat es nicht ausgehalten, dass er es nicht aushielt.
Nach dem Ende der halben Affäre, wieder einsam und ausgelaugt wie zuvor, hat er sie in Briefen schlechtgemacht und verachtet und dämonisiert, er hat sich also nachträglich von ihr abhängig gemacht und sch selbst verdammt, und dafür hat er sich gehasst. Das hat er nicht hingeschrieben. Es steht aber deutlichst zwischen den Buchstaben.
Nietzsche hätte mit 45 irgendwie zum Judentum finden müssen. Aber es war keiner für ihn da, er pendelte zwischen dem menschenleeren Sils-Maria und dem übervollen Turin, keiner hat ihn da rausgeholt. Sodass er in seinem verdammten, schwachen Leid steckenblieb.
Nietzsche hätte den Zarathustra umschreiben müssen, einfach so, eines schönen Tages aufwachend, neuer Titel: Moses, DER große Mensch.
Dann hätte er sich an Moses‘ Stelle setzen und über das ultimat MENSCHLICHE schreiben können, er hätte den Moses sprechen lassen können (wer sonst außer Nietzsche hätt‘ das wohl gekonnt!), und er wäre nicht an irgend einem ausgedachten Perser-Fantasie-Pseudoübermenschen und am sklavenhaft-unbesiegbaren Gekreuzigten so haltlos verzweifelt.
P.S.
Nietzsches Haltlosigkeit hat die Nazis angezogen wie die Fliegen, nicht? Die Nazis haben ihn für sich reklamiert bloß wegen dieser Haltlosigkeit, die sie in Übermenschliches verklärten. Nur wer völlig haltlos ist, will die Zehn Gebote abschaffen, um dann ein Über-Antimensch zu werden.
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*baff*
Hin und weg von Deinem Nietzsche-Verständnis, Ari. Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin, dass Nietzsche mit einigem Glück und bei längerem Leben zu Moses hätte finden können; ja, dass sein Weg ihn directement zu ihm führte! Dabei fehlt es nicht an Fingerzeigen. Heißt es nicht bei N. vom Menschen Moses und anderen biblischen Gestalten: „Man steht mit Ehrfurcht und mit Schrecken vor diesen ungeheueren Überbleibseln dessen, was der Mensch einst war.“ Was anderes freilich als sein körperloser Phantasie- Zarathustra. Und was sind ihm Thora und Gebote anderes als „das gewaltigste Buch und das bewegendste moralische Gesetz“?
Man hätte Nietzsches Lebenslinie nur weiter ziehen müssen. Das hast Du getan. Kol ha-Kawod!
Dieses jüdische Potential haben Juden bei N. schon immer gespürt. Nicht zufällig hab‘ ich mich in ihn verliebt :). Wem widmet Ch. Müntz sein Buch „Wir Juden“ (Oesterheld & Co., Berlin 1907, 2. Aufl.)? „Dem großen Andenken Friedrich Nietzsches“. Und was liest man im ausgezeichneten, hier schon zitierten Aufsatz von Ursula Homann, „Voltaire, Nietzsche und die Juden“? Zitat:
Erst kürzlich hat Friedrich Niewöhner darauf aufmerksam gemacht, dass die Nietzsche-Verehrung gerade unter Juden in aller Welt groß gewesen ist. Achad Haam (Asher Hirsch Ginsberg geb.1856), der den Begriff „Jüdischer Nietzescheanismus“ prägte, nahm an, dass der jüdische Übermensch das sittliche Ideal des Judentums verwirklichen könne. Gustav Landauer verfasste 1893 den ersten Nietzsche-Roman, während Martin Buber 1895 den ersten Teil des Zarathustra ins Polnische übersetzte. Walther Rathenau war ebenfalls ein Anhänger des Philosophen. Heinrich Berl vermutete in Nietzsche den „Propheten des jüdischen Geistes“. Zionisten und Ostjuden, die Nietzsche allerdings nicht sonderlich schätzte, glaubten eine gewisse Affinität zu ihm entdeckt zu haben.
Zitat Ende.
Aber zu Nietzsches Vorwurf – es ist schon als Vorwurf gemeint ‒, das Judentum hätte die Moral der Armen, Kranken und Sklaven in die Welt gebracht. Und wenn‘s so wäre? Was ist dagegen zu sagen? Haben nicht gerade die das größte Interesse an Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? Außerdem gehört, wie Du richtig bemerkst, Nietzsche selbst in vielerlei Hinsicht zu den Kranken, von denen er sich hier absetzt. Und was fällt ihm ein, auf Sklaven herabzusehen? Wen trifft die Schande des Sklavendaseins? Den Sklaven oder den Sklavenhalter?
Morgen Abend schon: Tisch’a be-Aw. Oj!
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🙂
Wenn Sklaven sich nicht real selbst befreien, bleiben sie geistig Sklaven – unsere Leute waren ja einst Sklaven, und nach der Flucht, als Mosche Rabbenu nur mal einen Moment von den Jidn die Nase voll hatte und ’nen Spaziergang machte, haben sie sich sofort ins reale Sklavendasein zurückgewünscht und ihre Herren mit einer zünftig protzigen Orgie nachgeahmt.
So frei ist man, wenn man sich von jemandem mal kurz befreien ließ. Insofern ist das Sklavendasein (dieses, das selbstverschuldete) freilich eine Schande, nicht?
– Tischa be-Aaaaw. Waah. Ich hab nie Lust auf Tischa be-Aw. Hast Du welche? Glaub ich nicht! Aber Du begehst es. Kol Hakawod Dir.
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Sorry, was ist Tischa be-Aaaaw?
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Dante, Tisch’a be-Aw oder der 9. des jüdischen Monats Aw (Juli/August) ist der Tag, an dem beide Tempel zerstört worden sind: der erste Tempel 586 v. u. Z. durch Newukadnezar II., seines Zeichens König von Babylon; der zweite im Jahre 70 durch Titus.
Es ist ein Trauer- und Fasttag, auf jeden Fall ein trauriger Tag. In den Synagogen liest man im Halbdunkel die Klagelieder von Jirmejahu ha-Nawi (Jeremias).
Der Tag hat mit Einbruch der Dunkelheit begonnen und geht bis morgen Abend.
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gâââ *ächz*
*Hunger hab‘, moi*
*nicht Jirmejahus Klâââgen lesen woll’*
Pardon für die Larmoyanz. War nur ein kurzer Arkelanfall.
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Komm, stell Dich nicht so an, Ari. WIllst a guter Jid sein musst da durch. Mich haben sie jahrzehntelang ja auch zu Weihnachten gefoltert, da mußte ich sogar singen. Und sei froh, daß Du nicht das Kommunistische Manifest lesen mußt, da haett‘ ich echt Mitleid mit.
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Gutt gutt, hast mich überredet 🙂
Das kommunistische Manifest zu lesen ist übrigens eine tüüüpische Beschäftigung am Tischa be-Aw. Alles, was Dich runterzieht, erst Tempelzerstörung, dann noch eine, dann Inquisition und die Erfindung von Gefilte Fisch, und dann Marxens Mist, und dann usw. usf., was soll man machen?, nu, es sey Jirmejahus Klag‘.
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Armer Jirmejahu, wenn er doch nur Sigmund gekannt hätte. Der hätte ihm bestimmt geraten, sein Sexualleben in Ordnung zu bringen, dann haett‘ er fürderhin nix mehr zu klagen … aber Österreich war ja noch nicht erfunden.
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Demokratie beruht auf Ethik, die VOR der Demokratie vorhanden gewesen ist. Die einzige Ethik, die die Demokratie „erlässt“, schützt Minoritäten.
Demokratische Ethik richtet sich gegen Proporz. Wer nach Proporz in der Ethik giert, will Diktatur.
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Ausgezeichneter Artikel, natürlich, und schrecklich aktuell.
Jetzt geht es rund, meine Damen und Herren. Mit Obamas Bruderhilfe bekommt der arische Iran seine Atombombe, in Europa setzen die Christen die unjüdische Tugend der Feindesliebe um: Es können nicht genug potentielle Judenhasser und Zivilisationszerstörer einströmen.
Es war Anfang Dezember für die junge Jiddene in Créteil sicher nicht leicht, jüdischen Stolz zu bewahren, als sie in der eigenen Wohnung vor den Augen ihres Mannes von einem Thora- Ersetzer vergewaltigt wurde. Auch der Jid wird nicht stolz geguckt haben.
Die jüdische Familie, die gestern in Blanc-Mesnil, wieder in der eigenen Wohnung, krankenhausreif zusammengeschlagen worden ist, wird in der eigenen Moral wenig Trost gefunden haben. Immerhin gab es nur Raub und keine Vergewaltigung.
Verzeihen Sie den zynischen Ton. Doch den Zynismus finde ich auch in Warszawskis Wiedergabe von Cardozos Schlussfolgerung:
„Die Juden müssen die Welt von der Kraft ihrer Ethik überzeugen, die Weltgemeinschaft muss den Frieden mit der Ethik des Judentums schließen. Nur wenn die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird, besteht eine Chance, dass der Antisemitismus schwindet und die Welt friedlich wird.“
No problem. Was 2000 Jahre nicht geklappt hat, wird bald gelingen. Es kann sich nur noch um Stunden handeln.
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http://jssnews.com/2014/12/02/creteil-un-couple-juif-braque-parce-que-juif-la-jeune-femme-violee-deja-2-arrestations/
http://jssnews.com/2015/07/15/paris-15-juillet-2015-une-famille-juive-attaquee-sequestree-battue-et-volee-dans-son-appartement/?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed%3A+JSSNews+%28JSSNews%29
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LOL.
( 😦 )
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„Nur wenn die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird, besteht eine Chance, dass der Antisemitismus schwindet und die Welt friedlich wird.“
Da wird anti3anti auf seine alten Tage noch zum Missionar, nun denn, tough Job. Wäre es nicht praktischer, wenn die Juden auf ihre Ethik verzichten, schon aus Gründen des Proporzes: 15Mio:7Mia ? Frag ja nur so, sind doch alle gleich und wertig die Religionen und damit die jeweiligen Ethiken. Ich werd‘ wohl als Einziger übrig bleiben, mit meiner transhumanistischen Ethik. Aber die Juden werden nicht wollen, aus gutem Grund, und so wird weder der Antisemitismus verschwinden, noch wird es friedlich werden. Es wird, wie’s immer war, nur anders.
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Seit wann ist Ethik eine Frage des Proporz?
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Seit der Demokratie.
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Ich stimme anti3anti zu und will es aus meiner Sicht etwas ausführen: Wenn Demokratie lediglich bedeutete dass das, was die meisten Menschen wollen, definitiv gemacht wird, unterschiede sie sich von einer gewöhnlichen Diktatur nur in der Anzahl der Tyrannen und in der Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen getroffen werden können (nämlich viel langsamer), nicht aber unbedingt in deren Qualität. Demokratie z.B. ohne individuelle Menschen- und Bürgerrechte für jeden Einzelnen verbände letztlich nur die Nachteile der Demokratie (etwa ihre Langsamkeit) mit denen der Diktatur.
Davon abgesehen kann man fragen: Warum überhaupt Demokratie? Eine plausible Antwort setzt ein Ethos voraus, das es verbietet, den Menschen als Objekt ohne Rechte zu denken. Wenn man ihn nämlich als ein solches denkt, gibt es keinen moralischen Grund, dass nicht über seinen Kopf hinweg entschieden werde. Da selbst X Millionen mal Null immer noch Null ergibt, d.h. ein Volk aus noch so vielen Individuen, die nichts zählen, also ebenfalls nichts zählen könnte, gäbe es keinen moralischen Einwand dagegen, etwas über die Köpfe des gesamten Volkes oder des größten Teiles davon hinweg zu entscheiden.
Es gäbe übrigens auch keinen moralischen Grund, Menschenleben zu schonen oder gar zu schützen, mithin auch nicht für den Frieden – von dem im Artikel ja die Rede ist. Für jeden, der im Schützengraben verreckt oder dem bei der Eroberung einer Siedlung Gewalt angetan wird, ist dies natürlich schrecklich, aber für wen dieses Individuum und damit sein Wohl und Wehe nicht zählt, für den fällt auch dies nicht ins Gewicht, und er wäre nachgerade inkonsequent, wenn er Frieden moralisch forderte. Mit der Demokratie verhält es sich, wie oben gesagt, ebenso.
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Sie missverstehen da was grundlegend. Es geht nicht darum, dass jeder Mensch Jude werden sollte – was die Absicht eines jüdischen Missionars wäre, nur ist das Judentum nun einmal keine missionierende Religion. Es geht mithin auch nicht etwa darum, dass jeder Mensch jede für orthodoxe Juden geltende Speisevorschrift beachten sollte. Es geht um eine bestimmte Ethik, die man sich auch zu eigen machen kann, wenn man selbst kein Jude ist. Rabbi Hillel soll einmal gesagt haben, die gesamte Tora lasse sich letztlich auf einen einzigen Satz zusammenfassen, und den kennen wir als Goldene Regel. Ähnliches ist übrigens auch von Jesus überliefert. Christen sollten also schon mal kein Problem mit jüdischer Ethik haben – leider ist das allzu oft doch der Fall.
Praktischer wäre es – für Judenhasser, vielleicht mit Ausnahme der Rasse-Antisemiten, zu denen jedoch wahrscheinlich nicht einmal die schärfsten muslimischen Judenhetzer zählen. Für die wäre dies ebenso praktischer, wie es für Stalin gewesen wäre, wenn sich nach dem 2.Weltkrieg alle Welt zu ihm bekannt hätten. So kann man im Prinzip auch leben – aber wozu?
Das konnte ich nicht lesen, ohne sofort an den Spruch
Esst Mist. Milliarden Fliegen können sich nicht irren.
zu denken.
Oh, das würde praktisch jeder Anhänger einer Religion rundheraus bestreiten. Wenn ich nicht überzeugt davon bin, dass meine Religion X richtig ist (auch wenn ich das natürlich nicht beweisen kann), bin ich eigentlich kein echter Anhänger von X. Dies schmälert natürlich nicht unbedingt meine Fähigkeit zu religiöser Toleranz, nur ist das dann nicht „der Verdacht, der Andere könnte Recht haben“, wie ein mehr oder weniger bekannter Spruch lautet, sondern die Nachsicht, Jedem das Recht auf Irrtum zuzugestehen. Was natürlich nicht ausschließt, dass ich selbst mich irre, aber überzeugt bin ich als Gläubiger von X natürlich nicht.
Was „Ethiken“ anbelangt, bin ich von deren Gleichwertigkeit noch weniger überzeugt als von der Gleichwertigkeit von Religionen. Man müsste auch nicht nur ethischer Relativist, sondern Nihilist sein, wenn man etwa die „Ethik“ von Leuten, die Vergewaltigungsopfer steinigen, mit der eines Rabbi Hillel oder Jesus auf eine Stufe stellte.
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Danke für die ausführliche Antwort, die aber am Thema weitgehend vorbeizielt, sodass ich nicht detailliert antworten möchte. Ich glaube, anti3anti hat mich schon verstanden, wie seine Frage ja zeigt. Übrigens: wie stellen Sie sich vor, daß „… die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird … „, als identifizierbar jüdisch, ohne das massiv irgendwo Einfluß genommen, also missioniert wird? Wie wollen Sie irgend jemandem beibiegen, das die Ethik einer winzigen Minderheit es verdient, die Ethiken massen- wenn auch fliegenhafter Mehrheiten zu ersetzen? Bei mir predigen Sie da aber zum Chor, ich „glaube“ nicht an Mehrheiten. Oder hat anti3anti bei seiner Ethik vielleicht nur die Noachidische Gebote im Sinn gehabt und nicht das ganze Gesetz?
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Demokratie beruht auf Ethik, die VOR der Demokratie vorhanden gewesen ist. Die einzige Ethik, die die Demokratie “erlässt”, schützt Minoritäten.
Demokratische Ethik richtet sich gegen Proporz. Wer nach Proporz in der Ethik giert, will Diktatur.
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„Wer nach Proporz in der Ethik giert, will Diktatur.“
DAS isses. Ich rahme mir den Satz ein, ja? Es wird zwar nichts nützen 🙂 , aber ich mach’s trotzdem.
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„Demokratische Ethik richtet sich gegen Proporz. “
Nun weiß ich nicht so recht, was eine demokratische Ethik so genau sein soll und wo sie herkommt, aber in realen Demokratien und nur solche gibt’s ja dummerweise, z.B. unsere doch so demokratische Deutsche,ist die Sache klar: die demokratische Ethik mag optimal sein, aber die FDP iss weg, Frage des Proporzes. Nicht, das der Proporz zu seinem Recht käme, oder gar recht wäre, aber er wird zur Legitimierung unbedingt benötigt.
Nur deshalb frug ich Dante (aber auch anti3anti): wie stellen Sie sich vor, daß “… die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird … “, als identifizierbar jüdisch, ohne das massiv irgendwo Einfluß genommen, also missioniert wird?
Ohne Proporz?
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Da hast Du völlig Recht, Bachatero.
Demokratische Ethik, also Verhalten nach bestimmenden Mehrheiten, das ist dann der reinste Mit-mim‘-Schmidt und das Singen im Chor.
Nimmt irgendwo der Anteil von Schariagutfindern zu?, gut, dann muss hal a bissele Frauenprügeln und sich Niederwerfen vor einer Autorität zur Pflicht gemacht wird, so zu fünf Prozent Frauenhass und sich Niederschmeißen, wenn fünf Prozent Schariadürstende im Lande weilen.
Weil, ohne dass isses doch elitärer Rassismus und nicht demokratisch.
Und Recht hast Du beim jüdischen Missionieren. Oh weh. Oh Graus!
Da sag ich mal dieses: Nathan (ohne ihm vorgreifen zu wollen) hat nicht gemeint, dass Alle zum Judentum finden sollen. Er hat gemeint, dass sie zur jüdischen Ethik finden sollen. Etwa so, wie ‚man‘ so um 1800 zur griechischen Ethik hingefunden hatte. Ja?
Und ich sag auch noch, dass man zu Nietzsche hinfinden sollte. Weil der nämlich stärkstens zum Judentum und überhaupt allerstärkstens zur Ethik des Individuums hingedriftet ist.
Überhaupt Judentum. Da kann man zum Baal-Schem-Tov hindriften, also hardcore!, oder ganz anders harcore kann man zu David Ben-Gurion driften. Oder gar zu Einstein.
Manche liebäugeln auch mit Bar Refaeli 😉 , na immerhin.
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Danke, Ari, für die Samthandschuhe 😉 . Ich habe aber nimmermehr gedacht, anti3anti, bei aller Chuzpe, würde gerne die Welt jüdisch haben oder machen wollen. Die simple Frage war (sorry die Wiederholungen): „wie stellen Sie sich vor, daß “… die jüdische Ethik in allen Schulen, allen Kirchen und allen Moscheen gelehrt wird … “, als identifizierbar jüdisch …“
Also nur Ethik (nicht Judentum) und diese als jüdische Ethik. Vorgestellt hatte ich mir eine Antwort wie etwa, hammer ja schon seit 2000 Jahren, hat mal genutzt, mal nicht, mal viel geschadet und kommt jetzt gerade in die Tonne, wegen dem Proporz. Die Nationen verschleudern gerade ihr Erbe im Rausch des Momentes, dem sie ewig erliegen, es ist in ihrer Natur (gibt’s natürlich nicht). Manchmal waer‘ man da gern a Jud. Tja, Weinseligkeit zu später Stund‘, aber der lügt ja nicht, der Wein 😉 . Und wenn schon Jud, dann vor 20 Jahren Bar Refaeli plus Einstein, heute nur noch Einstein (hab‘ ja Noni). Immerhin, als Jud würde ich mir mein Land nicht nehmen lassen, da sei David und Ben Gurion davor, ohne jegliche Bedingung. Buena noche.
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Paar Worte zu Freuds These, die Israeliten hätten Moses ermordet. Niemand wisse, wo er auf dem Berg Newo begraben sei, gibt Freud zu bedenken. Ist es bei Mosches überragender Bedeutung für das jüdische Volk nicht erstaunlich? Ein Argument mehr neben den in der Tora ausführlich beschriebenen Aufständen gegen den Chef und den Hohepriester Aharon.
Wenn ich „Der Mann Moses“ richtig erinnere, hat Freud für seine These keine weiteren Belege. Die aus „Totem und Tabu“ schon bekannte Urvatermordtheorie überträgt er kurzerhand auf die Situation der Israeliten in der Wüste.
Freud staunt über die Anonymität, die Mosches Grabstätte umgibt. Dass aber niemand weiß, wo seine Schwester Mirjam in Kadesch und wo sein Bruder Aharon ha-Kohen auf Hor ha-Har liegen (Paraschat Chukat), stört ihn nicht. Wie? Sollen auch sie ermordet worden sein?
Vielleicht gibt es für Mosches Tod eine plausiblere Erklärung. Der Mann Moses war nicht der jüngste, nicht? 120, immerhin.
Quatsch, wird Einer vielleicht einwerfen, das glauben Sie? OK. Aber wer das bezweifelt, muss die Schilderung der Aufstände ebenso bezweifeln. Ich kann in Ermangelung außerbiblischer Quellen nicht das herauspicken, was meine These stützt und das vernachlässigen, was ihr widerspricht. Entweder ich argumentiere innerhalb des Textes oder ich lasse ihn ganz außer Acht.
Mit allem Respekt, Raw Sigmund.
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Rebbe Sigmund wollte halt was Unerhörtes aussprechen, und das hat er halt getan 😀
– Hat er diese Sache mit dem Vatermord an Moische als Jude für Juden geschrieben-?, oder war’s mehr Rollenprosa, indem er für Christen einen Grund für christliche Tötungsabsichten (an Juden und am Vater) gesucht hat?
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Das ist es ja, was ich an Freuds Arbeit methodisch unsauber finde. Die Theorie vom Urvatermord hat er nicht beim Thora-Lesen entwickelt, wobei sich ein Anfangsverdacht Seite für Seite verdichtet hätte, sondern er hat sie fix und fertig aus „Totem und Tabu“ hinüber transportiert. Du verstehst: zuerst die Theorie aus dem Jahr 1913, dann die Suche nach einem Anwendungsbereich 1939.
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Geschrieben hat er schon das Buch als neutraler Wissenschaftler für die Welt. Zwar gehörte Freud zu einer zionistischen Loge, doch er verstand sich nicht als jüdischen Wissenschaftler. Zu Recht.
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Schum, Freud war kein Wissenschaftler, Einstein war einer, ein Theoretischer Physiker (nur wegen der Zeitgleichheit). Die Psychoanalyse und wohl alles was mit Psycho anfängt schrammt immer an der Scharlatanerie entlang, bis heute. Wenn man ihm wohl will, was ich nicht unbedingt will, könnte man ihn als Gelehrten bezeichnen, aber dann täte man sicher den Philologen etc. a weng Unrecht.
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Psychoanalyse ist heute ein anerkannter Teil der Medizin und Medizin ist eine angewandte Naturwissenschaft. Anfangs war Psychoanalyse viel Hokuspokus, nicht anders als die Medizin.
Nur die Mathematik ist eine reine Naturwissenschaft. Und sie gehört zur Philosophie.
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Das ist sie tatsächlich nicht. Sie ist zwar Grundlage der Naturwissenschaften, selbst aber streng genommen keine. Schließlich erforscht sie nicht durch Experiemente und Theorie, was ist, sondern durch reine Theorie das, was sich konsistent denken lässt. Deshalb lassen sich mathematische Sätze auch beweisen, und es gilt das Permanenzprinzip, d.h. was einmal bewiesen wurde, „überlebt“ jeden mathematischen Fortschritt – was beides in den Naturwissenschaften unmöglich ist. Jede noch so konsistente Theorie kann falsch sein, nämlich zu experimentellen Befunden im Widerspruch stehen. Dabei ist nicht falsch gleich falsch, sondern eine Theorie kann schlecht-falsch sein wie die gern Aristoteles zugeschriebene Ochsenkarren-Mechanik, die nicht einmal einen Steinwurf befriedigend erklärt, oder gut-falsch wie Newtons Mechanik.
Zu ihr gehört im Grunde jede Theorie, denn Philosophie heißt „Liebe zum Wissen“, also „wissen wollen“. Das unterscheidet richtige Philosophie von Ideologie, die gelegentlich auch „Philosophie“ genannt wird, aber im Gegensatz zu echter Philosophie, die den Namen verdient, zu wissen behauptet und bezugsfertige Gedankengebäude verkaufen will.
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Ihnen entgeht wohl, dass Sie hier einen Großmeister an den Rand der Scharlatanerie rücken, weil eines seiner Werke den Titel nicht nur mit „Psycho“ anfängt, sondern auch so aufhört! 😉
Nun, Psychologie (zu der ich natürlich auch die Psychoanalyse rechne) ist nun einmal dazu verdammt, keine exakte Wissenschaft zu sein. Scharlatanerie wird eine ihrer Methoden erst, wenn sie Modelle zu ernst nimmt, sie mit dem Anspruch ausstattet, die Wirklichkeit tatsächlich abzubilden.
Der Behavorismus tut übrigens Ähnliches, wenn er als Eliminativismus statt als Reduktionismus auftritt, d.h. so etwas wie Gefühle quasi leugnet, statt ihre Existenz zur Kenntnis zu nehmen und ggf. zu versuchen, sie auf einfachere Prinzipien zurückzuführen.
In einer bestimmten Frage hätten (oder haben sogar) auch beide zielsicher die falsche Antwort geliefert, nämlich in der Frage von Bindung bei Kindern. Ich spreche von einem Experiment, ,bei dem einem kleinen Äffchen zwei „künstliche Mütter“ zur Verfügung standen, nämlich eine mit Fell und Gesicht und eine aus Drahtgestell, die aber mit einer Milchflasche ausgestattet war. Psychoanalytiker hielten grundlegende materielle Bedürfnisse wie Hunger für entscheidend, Behavoristen glaubten an die beliebige Konditionierbarkeit von Lebewesen, sodass beide erwartet hätten, das Äffchen werde sich für die Draht-„Mutter“ entscheiden. Weit gefehlt. Das Äffchen trank zwar bei „ihr“, wandte sich danach aber sofort wieder der „Kuschelmutter“ zu. Dass so etwas wie Zuwendung und Körperkontakt ebenso ein Grundbedürfnis ist wie Hunger, hätte man jedoch längst wissen müssen, und zwar anhand eines damals schon über 700 Jahre alten Experiments, mit dem Kaiser Friedrich II die natürliche Sprache des Menschen ermitteln wollte. Die Kinder wurden gut verpflegt und starben dennoch alle an einem Mangel an menschlicher Zuwendung.
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Freud ist ein großartiger Schriftsteller, der zu Recht einen Nobelpreis für Literatur gekriegt hat. Der hat ihn allerdings geärgert. Er fand, dass er den Nobelpreis für Medizin hätte bekommen sollen.
Und was Du über Psychoanalyse schreibst und „alles was mit Psycho anfängt“: hipp, hipp, hurra!
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Übrigens hat auch Einstein seinen Nobelpreis zwar in seinem ureigensten Fach bekommen, nämlich der Physik, aber mitnichten für die Allgemeine Relativitätstheorie (ART), die am ehesten als sein ureigenstes Werk angesehen werden kann (die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) ist mathematisch mit der Lorentzschen Äthertheorie identisch und unterscheidet sich nur in der Interpretation), sondern für seine Erklärung der Befunde beim photoelektrischen Effekt mit der noch jungen Quantentheorie des Lichts, die erstmals von Max Planck aufgestellt worden war, um das Gesetz der thermischen Hohlraumstrahlung zu erklären. Einstein war hier (wie bei der SRT) nicht unbedingt „schlauer“, sondern vor allem „wagemutiger“, radikaler in seiner Interpretation der Befunde als seine Zeitgenossen.
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Dante, autsch, habisch Sakrileg. Ich zitiere mal hier den Serebrjanik (TiN, Post an Wagner), nicht, weil ich’s glaube, sondern weil’s grad paßt:
„Die Geschichte der sich zivilisierenden Menschheit ist eine Geschichte der Befreiung. Und unsere Generation ist freier, als die, unserer (Groß) Eltern. Ja.“
Befreiung auch von Grossmeistern, w.z.B. dem von Ihnen oben erwähnten HyperGrossMeister Newton. Auch sie, ob all ihrer ehrfurchtgebietenden Groesse, sagen uns nicht „die Wahrheit“, sondern liegen, wie Sie selbst sagen, mehr oder weniger falsch. Wenn sie zu unwidersprechbaren Autoritäten avancieren, sind sie zu Scharlatanen geworden, Irrlichtern, Hindernissen auf dem Weg der Serebrjanikschen Befreiung. Und das bei den hmmpf exakten Wissenschaften. Wie muß es da erst bei den Psychos aussehen? Übrigens, anti3anti’s „Psychoanalyse ist heute ein anerkannter Teil der Medizin … „. sagt nur Anerkennung, also Konsens. Na ja, vielleicht, im Zeitalter der Peer Review, bestimmt sich der Grad an Falschheit einer Wissenschaft eben auch über den Proporz. Man kann ihm nicht entkommen, diesem Furz Propurz.
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Oh, ich fürchte, Sie haben mich missverstanden. Der erste Satz war witzig gemeint und bezog sich nicht auf Newton, Einstein oder einen anderen Großmeister der Wissenschaft, sondern auf einen Großmeister aus der Kunst, der ein Werk mit dem Titel „Psycho“ geschaffen hat: Alfred Hitchcock. 😉
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Hab‘ schon gemerkt, daß es witzig war, meine Antwort ja auch ein wenig. Aber das mit dem „Psycho“ ist mit tatsächlich komplett entgangen, kannte es nicht. Aber wahr bleibt trotzdem alles 😉 .
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Philosophie ist Mathematik. Philosophie ist die Liebe zur Wahrheit, die nur die Mathematik stillen kann. Eine nicht-mathematische Philosophie ist unlogisch, falsch und somit keine Philosophie. Die Dreieinigkeit gehört dazu, sie lässt sich allzu einfach widerlegen, die Existenz Gottes nicht (auch (noch) nicht beweisen).
Wenn 3=1, dann 9=3, somit 1=9. 9-9=9-3=9-1=0. Somit 0=alles. Somit ich=Gott.
Ich will kein Gott sein, somit gibt es keinen Gott, somit Widerspruch zum 1. Absatz.
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Die Mathematik ist eine Naturwissenschaft, weil sie die Natur abbildet. Mehr noch ist sie die notwendige Grundlage der Natur. Am Anfang war die Zahl! (Bereschit bara Elohim (Plural) et Hashamajim (Dual!) we’et Haaretz (Singular). Am Anfang war das Wort: „0=1“.
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Unbedingt so, das hat auch der Erfinder des Gleichstroms prägnant in die einfache Formel gepackt: Rot = blau; Plus ist Minus und gelb kommt an die Wasserleitung. Da herrscht widerspruchsfreie philosophische Klarheit.
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Dante schreibt oben sehr schön von der Weigerung der Juden, vergöttlichten Kaisern zu huldigen. Und wie erklärt der Talmud den Umstand, dass Mosche Rabenu an einem geheimen Ort begraben worden ist? Damit, dass kein Mosche-Kult entstehen sollte. Wer sich gegen die Anbetung einer kalbförmigen Gottheit heftigst aufgelehnt hat, würde nicht wollen, dass man ihn selbst anbetet.
Das ist auch der Grund, weshalb der Name Mosche nicht ein einziges Mal in der Haggada von Pessach auftaucht. Man bedenke: Eine halbe Nacht sitzt man da am Sedertisch und liest vom Auszug aus Ägypten – und wer findet da keine Erwähnung? Der Held der Geschichte, Mosche Rabenu! Der Held der Geschichte? Eben nicht. Held der Geschichte ist kein anderer als Haschem selbst, der die Kinder Israel aus dem Haus der Sklaverei herausgeführt hat. Das wird einem in der Haggada geradezu eingeschärft:
ויוציאנו ה‘ ממצרים, לא על ידי מלאך ולא על ידי שרף ולא על ידי שליח, אלא הקדוש ברוך הוא בכבודו ובעצמו וגו‘ אני ה‘, אני הוא ולא השליח, אני ה‘ אני הוא ולא אחר.
Wa-joziénu Haschem mi-Mizrajim, lo al Jedé Mal’ách we-lo al Jedé Ssaraf we-lo al Jedé Schaliach, éla ha-Kadosch-baruch hu bi-Chwodo u-we-Azmo… Ani Haschem, ani hu we-lo ha-Schaliach, ani Haschem ani hu we-lo achér.
[Und Haschem hat uns herausgeholt aus Ägypten, nicht durch einen Engel und nicht nur einen Seraph und nicht durch einen Gesandten, sondern der Heilige gepriesen sei er in eigener Person… Ich Haschem, Ich war‘s und nicht der Gesandte, Ich Haschem, Ich war‘s und nicht ein Anderer.]
Ich müsste sehr irren, aber der Unterschied zwischen „(nicht durch) einen Gesandten“ und „dem Gesandten“ ist nicht zufällig, sondern gezielt.
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Frankreichs Juden betrauern den Tod des „penseur juif et homme debout“ (Guy Millière) Raphaël Draï (s’l), der sich u. a. eingehend mit Talmud und Psychoanalyse beschäftigt hat. In einem der vielen Vorträge, die AKADEM ihm zu Ehren wieder Online gestellt hat, äußert er sich kurz zu Freuds „Mann Moses“. Ich habe den Satz wörtlich festgehalten und bringe ihn hier als Ergänzung zu Warszawskis Artikel:
« Ouvrage contradictoire, méthodologiquement anarchique, mais qui n’en débouche pas moins sur une affirmation – presqu’un cri d’amour – sur l’irréductibilité du judaïsme à tout autre système religieux connu, et cela pour deux raisons : la reconnaissance intraitable des pulsions, et d’autre part le renoncement dans les conduites et le comportement à leur satisfaction immédiate – renoncement à ne pas confondre avec un désistement. »
[Das Werk ist widersprüchlich und methodisch anarchisch, doch führt es nicht desto weniger zu einer Feststellung – fast einem Liebesschrei – über die Unähnlichkeit des Judentums mit jedem anderen bekannten Religionssystems, und dies aus zwei Gründen: die nicht verhandelbare Bejahung der Triebe bei vorgeführtem Verzicht auf ihre unmittelbare Befriedigung – einem Verzicht, der nicht mit Selbstaufgabe zu verwechseln ist.]
Wenn Du eine bessere Übersetzung weißt: you’re welcome.
Eine berührende Einzelheit: Freud ist an einem Jom Kippur gestorben, d.h. er hat sich von seinem Arzt die tödliche Spritze an einem Jom Kippur setzen lassen.
Anderes Thema: Was sagst Du zu meinen Antilopen?
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Pardon: an Aristobulus gerichtet.
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Die Antilopen auf der Seite: „Der schleichende mediale Rassismus“
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Ah, das hier mit den Antilopen, die wir laut Raschi angreifen 🙂 : https://numeri249.wordpress.com/2015/07/30/medialer-rassismus/comment-page-1/#comment-3620
Sehr schön. Pardon für meine späte Antwort, ma chère, hab Deinen Fund erst jetzt gefunden.
P.S.
Freuds s’l Tod fand ich immer fürchterlich- hoffentlich hat er nicht leiden müssen!
Doch, er musste.
P.S.
Bei Draïs s’l Feststellung, dass das Judentum als einzige Religion zwar die Triebe (also den Sexualtrieb, nicht?) bejaht und gleichzeitig dazu auffordert, sie nicht unittelbar zu befriedigen, fehlt etwas, denke ich. Weil in keiner altheidnischen Religion & Gesellschaft dieser Trieb unmittelbar befriedigt wird, denn gesellschaftliche Schranken, Tabus, Angst, Strafen, Hierarchien verbieten es.
Jedoch im Judentum findet ein Verbot durch den Einzelnen selbst statt, nicht?, weil kein Kohen und kein König und kein Clanchef und kein Richter dem Einzelnen vorschreiben, was er wann wie nicht zu machen habe.
Gegebenenfalls setzt sich der/die Einzelne dann mit den Halachojss von Taharat Ha’Mischpacha auseinander. Die sind strikt und schwer genug, hörte ich. Aber der Einzelne tut das nicht aus Angst vor Strafe –
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Sexualtrieb? Nicht nur. Es geht um all das, was man unter „Jezer ha-Ra“ (etwa: Trieb zum Bösen) versteht, und das die Religionen im Allgemeinen als „bösen Trieb“ verpönen: hauptsächlich Sexualbegierde und Aggressionslust. Nicht der Trieb an sich ist böse, sagen Chasal – und wie könnte er? Ist er nicht von G’tt mit erschaffen worden? ‒, sondern der Missbrauch, zu dem er einlädt.
(Für die Feinschmecker: „Jezer ha-Ra“ ist nicht „ha-Jezer ha-ra“.)
Der „Jezer ha-Ra“ gilt dem Judentum als Ausdruck der Liebe zum Leben. Er ist unverzichtbar, doch darf er nicht auf Kosten Anderer gehen.
Wie drückt das R. Nachman bar Schmuel im Midrasch Bereschit Raba aus:
אילולי יצר הרע לא בנה אדם בית, ולא נשא אשה, ולא הוליד, ולא נשא ונתן.
Ilulé Jezer ha-Ra lo baná Adam Bajit, we-lo nassá Ischa, we-lo holid, we-lo nassá und natán.
[Wäre der Jezer ha-Ra nicht, würde der Mensch kein Haus bauen, keine Frau heiraten, keine Kinder zeugen, keine Verhandlungen führen.]
Setzt R. Ouri Charki (2011) nach: Versuchen wir uns einen Mann vorzustellen, den es weder nach Frauen, noch nach Besitz, noch nach Bessersein als Andere gelüstete. Was für eine Gesellschaft könnte so einer aufbauen?
Was sagt Haschem zu Kajin, dem die Züge vor Zorn über die Abweisung seiner Gabe entgleiten? Die Sünde lagert vor der Tür, aber du kannst sie überwinden.
Auf die Handhabe kommt es an. Mit seinem Zorn hätte Kajin Besseres anfangen können, als seinen Bruder zu ermorden.
Fragte man in den 20er Jahren den Psychoanalytiker Karl Abraham, was der Idealmensch nach psychoanalytischer Sicht sei. „Ein Mensch mit starken Trieben und mit starker Kraft, sie zu bändigen“, war die Antwort. War sich Abraham bewusst, dass er Chasal zitiert?
Wie heißt es in Mischna Awot?
Ése hu Gibor, ha-kowesch et Jizro – Wer ist ein Held? Wer seinen Trieb beherrscht. (Pirke Awot 4, 1)
איזה הוא גיבור, הכובש את יצרו, שנאמר “טוֹב אֶרֶךְ אַפַּיִם, מִגִּבּוֹר; וּמֹשֵׁל בְּרוּחוֹ, מִלוכֵד עִיר“ (משלי טז, לב).
Das, Ari, ist innerhalb der uns bekannten Glaubenssysteme tatsächlich einzigartig. Die Aufforderung, die Netijot schefelot, die dunklen Neigungen, nicht zu verleugnen, nicht zu verdrängen, sondern sie zum Guten zu verwenden.
Weißt Du noch wie Raschi im Gefolge von Chasal das Doppel-Bet im Wort „(be-chol) Lewawcha“ aus dem „Schma“ deutet?
בכל לבבך ‒ בשני יצריך, ביצר טוב וביצר הרע
Bi-schnej Jezarécha – be-Jezer tow u-we-Jezer ha-Ra.
וְאָהַבְתָּ אֵת ה‘ אֱלֹהֶיךָ בְּכָל לְבָבְךָ וּבְכָל נַפְשְׁךָ וּבְכָל מְאֹדֶךָ
Liebe Haschem, deinen G‘tt, mit ganzem Herzen: mit dem Trieb zum Guten und mit dem Trieb zum Bösen.
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Genaue Übersetzung von „Ése hu Gibor, ha-kowésch et Jizro“ – Wer ist ein Held? Wer seinen Trieb erobert.
„lichbosch“ ist „erobern“. Daher heißt es weiter: Wer sich im Griff hat, ist besser, als wer eine Stadt einnimmt.
Ich mag die Idee, dass man sich selbst erobern muss.
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Der große Jihad ist besser als der kleine?
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Der Pauli ist ein Klein-Dschihadst,
er bohrt sich ein
ins Hirn, Appendices, Gedärm.
Der Poldi ist Groß-Dschihadst:
Er schießt sich ein
mit G’schrei ohne Erbarm:
Auf Brandschatz, Schlachtenlärm,
auf Köpfereien nah und fern.
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