Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Das heißt auch: Man muss ihr – der blöden Welt – immer wieder die Leviten lesen. Das übernahm jüngst der nunmehr frisch zum Außenminister gekürte Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, Sigmar Gabriel. Vor dem G20-Ministertreffen in Bonn erklärte dieser, ganz Nachahmer und Hofschranze jener ´mächtigsten Frau der Welt´:
„Kein Staat der Welt kann die großen internationalen Probleme unserer Zeit allein angehen. Terrorismus, Wasserknappheit, Flucht und Vertreibung bewältigt man nicht mit Abschottung. Der Klimawandel lässt sich nicht mit Stacheldraht bekämpfen.“
Diese ´Warnung´ brachte es in meiner Tageszeitung immerhin auf Seite Drei; als Zitat des Tages. Eigentlich gehört sie in den Müll. Damit empfahl sich der Herr Minister indes schon vorab als Boss der anstehenden Runde. Die G20, eine sündhaft teure, vom Steuerzahler ohne Murren dauerfinanzierte Schwafel-Orgie, ist längst zur Bühne nationalstaatlicher Eifersüchteleien heruntergekommen. Wenn der Herr Gabriel den Deckmantel der Humanität bemüht, ist das so eitel und selbstherrlich wie alles, was aus dieser Runde überhaupt nach außen dringt. Jedem das seine. Deutsche Politiker spielen sich gern als Tugendwächter auf. Sicher: Das kommt beim Rest der Welt, den Gabriel meint, nicht immer gut an, aber für einen deutschen Politprofi gehört solches wohl auch weiterhin zur unverhandelbaren Sprach-Räson.
Beim Wort genommen: Die bemängelten Alleingänge treffen auch auf seine Chefin zu. Ihre Willkommensgeste hat viel Schaden angerichtet. Doch würde man ihr solche Eigenmächtigkeiten, ginge nichts mehr schief, posthum dann doch noch sehr zu Gute halten: als mutiges Zeichen, moralisch einwandfrei – mustergültig für den Rest der Welt. Der deutschen Sonderwege kennen wir inzwischen manche. Wir kennen auch das Urteil der Geschichte. Mag der Wähler derzeit, schenken wir den Umfragen Glauben, die Übermutti gründlich satt haben: Ein endgültiges Urteil steht in dieser Angelegenheit noch immer aus. Ganz Deutschland zittert vor der Hauptverhandlung.
Ist nun ausgerechnet der Herr Gabriel berufen, in Sachen Flucht und Vertreibung den erhobenen Zeigefinger zu bemühen? Wie ging er selbst das eine oder andere dieser internationalen Probleme an? Als Wirtschaftsminister zeichnete er zum Beispiel für den bis dato größten Waffendeal mit Saudi Arabien verantwortlich. Das geschah just zu einem Zeitpunkt, als das ultra-islamistische Herrscherhaus der Saud zur Hatz auf die im Jemen an die Macht gelangten Huthis blies. Erinnert: “Saudi Arabien zerbombt im Jemen jede Hoffnung“ (ZEIT-online, 13.10.16). Gabriel sei Dank durfte aus vollen Rohren unvermittelt weiter gemordet werden. Das die saudische Luftwaffe damals Schulen, öffentliche Plätze und auch eine Trauergesellschaft attackierte, tangierte den Oberlehrer Gabriel nicht. Geäußert hat er sich dazu jedenfalls nie. (Staats)Terrorismus, Flucht und Vertreibung: Gutmensch Gabriel half kräftig mit, dieser Trias zu weiteren Erfolgen zu verhelfen. Aber da bislang noch keine Huthi-Ketzer in Germanien gestrandet sind, kann und darf man solche ´Ärgerlichkeiten´ sicher ausblenden. Wird schon keiner spitz kriegen. Schnee von vorgestern. Schuld sind ja stets die jeweils anderen; all jene, die der Minister meint.
Der im Brustton moralischer Überlegenheit immer wieder geäußerte Allgemeinplatz, man müsse endlich die Ursachen von Hunger und Vertreibung bekämpfen, ist aus dem Munde dieses Mannes nichts als Lug und Trug; eine Pervertierung par excellence. Der Merkel-Vize gehört eben selbst zu den Verursachern beklagter Malaisen. Er ist das Problem. Und nicht die Lösung. Er und Seinesgleichen halten den Furor bei Laune, ohne dass ihnen irgendwer ins dreckige Handwerk pfuscht. Hinter wolkigen Reden verbergen solche ihr schändliches Tun. So macht sich der Täter zum Ankläger. Womöglich brauchte Gabriel das jetzt einfach, nachdem die ersehnte Erbfolge in Sachen Kanzlerschaft an den schaurigen Herrn Schulz übergegangen ist. Auch dieser empfindet sich als moralisches Gewissen, nicht einzig der Nation: nein, ganz Europa hatte, sollte, musste das begreifen. Ich denke, in Brüssel flennt dem keiner eine Träne nach. Hierzulande soll er, sagt man, just seinen zweiten Frühling erleben. Armes Deutschland.
Doch noch einmal zurück zum obigen Zitat. Endgültig unerträglich wird es, wenn der Volksschullehrer Gabriel gegen Stacheldraht und Abschottung polemisiert. Dann muss jedem halbwegs integren Menschen die Hutschnur platzen. Der Vorwurf zielt aktuell natürlich auf den Präsidenten mit der eleganten Fönfrisur, aber im europäischen Umfeld können nur wieder die vielzitierten Balkan-Staaten gemeint sein. Schimpf und Schande über sie!
Ich schlage Ungarn und Kroaten, Mazedoniern oder Bulgaren hiermit folgendes vor. Öffnet doch mal für kurz, sagen wir: für einen halben Monat sämtliche eurer Grenzen, die ihr ja, nochmals Schande, mit fiesem Stacheldraht bewehrt habt. Sprecht euch vorher mit Erdogan und Co. ab, die werden froh sein, anderthalb bis zwei Millionen ´Flüchtlinge´ mehr nach Europa rüber zu kippen. Sagt dann aber denen, die kommen, ganz genau, wo es nach Germanien geht – heim ins Reich. Der Platz an der Sonne, seit Wilhelm Zwo auf Deutschland abonniert, ist bereits bestens vorgewärmt. Oder liegt das an der Lunte, die schon glimmt?
In der Tat: Kein Staat kann die großen internationalen Probleme unserer Zeit allein angehen. Die Balkan-Staaten begriffen dies noch rechtzeitig genug. Der gute Gabriel weiß das auch. Er hat sich aber nie bei denen bedankt, die ihm und seiner Kanzlerin, uns allen, den Rücken frei hielten. Frau Merkel hat ihnen seinerzeit eine ziemliche Suppe eingebrockt. Griechenland verendet gerade an den Folgen dieser Giftbrühe. Der Seitenhieb ist insofern eine doppelte Frechheit. Aber er hört sich als Kalenderspruch so schön an. Die andern sind alle Schweine, es grüsset ein Chor lauter(er) Engel. Wie meinte einst der Kaiser doch: Herrlichen Zeiten führe ich euch entgegen!
Na denn.
Shanto Trdic, 17.02.17
„Der Klimawandel lässt sich nicht mit Stacheldraht bekämpfen.“
Aber meine Verlobte kann der ehrenwerte (denn ehrenwert, das sind sie alle) Außenminister ganz gut und sehr wirksam mit Sracheldraht bekämpfen.
Die muß nämlich bleiben wo der Pfeffer wächst, Klimawandel hin oder her.
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Ausgezeichnete Analyse des Statements unseres scheinheiligen Gabriel.
Alternativantwort zu der Bemerkung: „Die bemängelten Alleingänge treffen auch auf seine Chefin zu. Ihre Willkommensgeste hat viel Schaden angerichtet“.
Allein kann kein Staat der Welt die großen internationalen Probleme unserer Zeit beheben, aber allein kann er sehr wohl große internationale Probleme schaffen.
Das hat Merkel gezeigt, als sie „mit ihrer weltumarmenden Geste am 4. September [2015] in einem Akt der Willkür alle Schleusen geöffnet“ hat (Cora Stephan, Wirtschaftswoche, 10.11.2015)
Auch Obama ist es ganz allein gelungen, den Nahen Osten zu destabilisieren. (Siehe Michael Wolffsohn, BILD, 29.12.2016)
Nur den Klimawandel kann man nicht im Alleingang schaffen: Es müssen viele Sagenhaber zusammenkommen, um einen zu erfinden.
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