Gaza, am 07 – 03 – 2017
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und liebe Freunde,
eigentlich ist nicht viel geschehen, seitdem ich Ihnen und Euch meine letzte Mail gesendet habe. Sie fragen sich vielleicht, warum ich mich dennoch schon wieder aus Gaza melde.
Ja, man kann froh sein, wenn nicht viel geschieht. Aber wir leben damit, dass es jeden Tag schlimmer kommen kann. Es liegt dauernd eine Spannung in der Luft, die wir alle hier spüren. Und dass die nicht unbegründet ist, kann man in israelischen Tageszeitungen nachlesen, denen wir mehr als den unsrigen vertrauen. Unsere Bedrohung ist also ganz real und nicht meine Phantasie.
Es ist also kein Wunder, dass die Menschen in Gaza verzweifelt und hoffnungslos sind und dass sie resignieren angesichts der Aussichtslosigkeit, in Ruhe und Frieden und Freiheit leben zu können. Die Angst, dass es wieder losgehen könnte, beherrscht unser Leben. Dennoch sind wir im Alltag Überlebenskünstler und müssen es sein. Jeden Tag neu versuchen wir das Beste aus unserem Leben zu machen und jeden Tag neu suchen wir nach Wegen, um nicht aufzugeben, um nicht gänzlich in Apathie zu verfallen. Das gelingt mal besser, mal schlechter, denn was wir zu bewältigen haben, kann sich kaum jemand außerhalb von Gaza vorstellen.
Es ist sehr anstrengend und fast unmöglich, ein normales Leben in Gaza zu führen. Dank der Regierung gibt es mal kein Erdgas um zu kochen, mal gibt es keinen Strom, mal kein Wasser, mal keine Brennstoffe. Seit Jahren gibt es einen akuten Geldmangel selbst in den Familien, die tagein, tagaus arbeiten. Seit Jahren bekommen meine Frau und ich nur 50% unseres eigentlichen Gehalts von unserer Regierung ausgezahlt. Noch schlechter geht es den jungen Leuten, die keine Arbeit finden. Fast 250 000 junge Leute mit universitären Abschlüssen finden keine Arbeit.
Täglich fürchte ich, dass es zur Explosion kommen könnte. So schlimm es ist, für ein besseres Leben in ein anderes Land flüchten zu müssen, wie es gegenwärtig so viele junge Menschen auf sich nehmen und Richtung Europa aufbrechen, so ist uns das hier in Gaza nicht einmal möglich, denn wir leben – ohne wissen zu wollen warum – in einem großen Gefängnis. In einem Gefängnis, in dem die Wärter der Hamas mir und hunderttausenden friedlichen Palästinensern in Gaza daran hindern, aus der Gefangenschaft in die Freiheit auszubrechen. Nicht-friedliche Palästinenser, die sich der Befreiung Palästinas von allen Juden verschreiben, dürfen die Tunnels benutzen, um nach Israel und Ägypten zu gelangen, um dort als Helden für Freiheit und Palästina zu fallen.
Wie gern würde ich (und würden wir) auch nur für wenige Wochen einmal wieder das Gefühl von Freiheit genießen. Und wie gut wäre es, wenn ich für ein paar Tage oder Wochen ohne Angst leben könnte. Aber selbst wenn ich nach Berlin ausreisen dürfte, wo ich siebzehn Jahre gelebt habe (deshalb mein fehlerfreies Deutsch!), so kann ich das nicht riskieren, weil es nicht sicher ist, dass ich wieder nach Gaza zurückfliegen werde. Mir sind unzählige Fälle bekannt, in denen Palästinenser die Rückkehr nach Gaza trotz Frau*en und Kindern nicht angetreten haben. Ich kann das Risiko nicht eingehen, denn ich kann diese Ungewissheit meiner Frau und meinen 14 Kindern nicht antun.
Wir sind alle in Gaza eingesperrt. Und vergessen Sie nicht, dass wir neben den Kämpfern der Hamas keine anständige Armee haben, viele Raketen, keine Flugzeuge, die Bomben werfen können, keine Panzer, eine Anzahl von Tunnels, die nach Ägypten und nach Israel führen und die wir nicht betreten dürfen, und vor allem keine Bunker zum Schutz der Zivilbevölkerung. Und wie gesagt, wir können auch nicht fliehen, wie etwa die Araber aus Syrien. Ich glaube, diese Situation machen sich die Menschen in der Welt nicht klar. Es scheint bequemer zu sein zu wissen, wer der „Terrorist“ und wer der „Verteidiger der Freiheit“ ist. Dies hängt aber davon ab, wer – wie bei uns in Gaza – die Deutungshoheit dominiert und sich als Opfer durchsetzt. Ich fürchte, die Menschen sympathisieren ganz generell meistens mit dem Stärkeren (ich hoffe, so sehr, dass ich falsch liege). Wir Zivilisten in Gaza gehören ganz sicher nicht zu dieser Gruppe.
Vor einigen Tagen haben israelische Kampfflugzeuge (unterschiedliche Modelle) verschiedene Ziele angegriffen und zerstört, ohne einen Menschen zu töten. Das wurde als Reaktion auf eine aus Gaza gegen Israel abgefeuerte Rakete erklärt. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Und wenn es stimmt, dass eine Rakete von der Hamas oder von anderen Terroristen abgefeuert wurde, so ist das schlichtweg dumm, sinnlos und gefährlich, aber nicht unmoralisch wie man weiß. Aber vielleicht kommt das manchen Bewaffneten in Gaza ganz gelegen, die auf „gute“ Gründe warten.
Jeder weiß, dass die Reaktionen Israels immer zu erwarten sind. Sie erinnern sich sicher, dass in der von Israel genannten Aktion „Protective edge“, d.h. der Bombardierung Gazas 2014, über 2 000 Palästinenser getötet wurden. Von internationalen Stellen wird angenommen, dass ca. 1400 von ihnen Zivilisten waren und ca. 500 von diesen Kinder. Es ist ungerecht, dass dagegen leider nur 73 Israelis zu Tode gekommen sind, 6 (sechs) oder 7 (sieben) von ihnen waren Zivilisten. Durch Bomben wurden 18 000 Häuser und Wohnungen zerstört. Ich denke, ich muss das nicht kommentieren. Ich bete täglich zu Allah, dass unsere Regierenden endlich aufhören, die Juden zu provozieren. Als Kinder hat man uns in der Schule beigebracht, dass die Juden feige sind und niemals zurückschlagen. Was für eine böse Welt heute!
Als Kind habe ich immer auf Arabisch gesungen: Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein. Kennt ihr dieses Lied auch in Deutschland auf Deutsch?
Ich will keine Vergleiche machen…. Meine Familie hat überlebt. Wir haben Glück gehabt. Aber werden wir noch einmal Glück haben? Mit dieser Frage lebe ich täglich. Und sie macht mir Angst.
Die Einschläge der Bomben konnte ich und ebenso meine Kinder deutlich hören, denn es war mitten am Tag. Mein Schwiegervater wurde von seinen Enkeln gefragt, ob nun ihr Haus wieder angegriffen und zerstört wird. Denn das Haus wurde während der Angriffe 2014 zum Teil zerstört und ist mittlerweile wieder aufgebaut worden, obwohl in den arabischen und uns in Deutschland freundlich gesinnten Zeitungen steht, dass Israel keinen Zement nach Gaza liefert. Die Kriegstraumata „wohnen“ in unseren Seelen und Körpern, ganz besonders in denen der Kinder. Wir sind kraftlos und schutzlos. So viele Kinder, auch meine, haben drei Mal in wenigen Jahren tagelange Bombardierungen erleben müssen. Das geht nicht spurlos an ihnen vorüber. Aber es scheint niemand zu interessieren. Nicht in Europa und nicht in Gaza. Selbst die Juden wollen uns helfen! Das Mitleid gilt nur den Kindern in Syrien.
Wir sind eingesperrt, wir haben keinen Flughafen, wir haben nur einen kleinen Seehafen, die Landesgrenzen um unseren kleinen Landstrich sind verriegelt, die unterirdischen Tunnels ins Ausland dürfen wir Zivilisten bei Todesandrohung nicht betreten. Selten dürfen wir Besuch empfangen. Kürzlich hat Israel fünf Abgeordneten des europäischen Parlaments die Einreise nach Gaza verweigert. Israel hat den Abgeordneten vorgeworfen Hamas-Sympathisanten zu sein, die in Israel (auch in Deutschland?) Terroristen sind. Vermutlich hören Sie davon in Deutschland nichts. Meine Freunde in Deutschland wollen mich nicht besuchen. Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass unsere Haftbedingungen noch schlechter sind als die „normaler“ Gefängnisinsassen in der Türkei. Wir haben aber NICHTS getan!!!!Nur das ist unsere Schuld!! Genauso wie einst die Bürger von Dresden.
Wenn ich lese und höre, was gegenwärtig geschrieben und gesagt wird in Israel, so scheint mir alles auf eine gigantischen Explosion hinauszulaufen. Zwischen den Zeilen bereitet unsere Militärregierung etwas vor. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern auch die von israelischen Ministern und Politkern sowie von Journalisten. Unsere Regierung will nicht, dass wir darüber nachdenken.
Und ich schäme mich nicht in die Welt zu rufen, dass ich große Angst habe um meine 14 Kinder, meine Frau, meine alten Eltern, meine Verwandten und alle, die ich kenne und auch nicht persönlich kenne. Bitte tun Sie etwas! Bitte lassen Sie es nicht geschehen, dass man ein unterdrücktes Volk quält, das keine Möglichkeit hat, nach Deutschland zu fliehen. Wir sind Menschen, die genauso wie Sie und andere Flüchtlinge in Frieden, Ruhe UND Freiheit menschenwürdig mit etwas Luxus leben wollen!
Ich wende mich mit meinem Schreiben auch an Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit der dringlichen Bitte, unsere Situation nicht aus dem Blick zu verlieren und etwas zu unternehmen, um unsere Unterdrückung zu beenden und einen Krieg zu verhindern, der nicht nur uns, sondern die ganze Region in noch mehr Flammen setzen könnte. Bitte, befreien Sie uns von unseren Unterdrückern!!! Öffnen Sie für uns die Tore nach Deutschland!
Und bitte sagen Sie nicht, dass Sie es nicht gewusst haben. Wenden Sie sich auch ganz direkt an Ihre Politiker, handeln Sie, wenn Ihnen das Leben der Menschen in Gaza nicht gleichgültig ist.
Ich bin mir sicher, dass Sie schon einiges bewirken könnten, wenn Sie es wollen. Die Adressen aller wichtigen Politiker lassen sich im Internet leicht finden.
In der Hoffnung, dass der kommende Frühling, Frühling bleibt, verbleibe ich für heute
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Prof. Dr. A. Husseini
PS:
Es wird das bösartige islamophobe Gerücht verbreitet, dass die Hamas, die Regierung und die Befreiungskämpfer der Hamas solange kämpfen werden, bis der letzte Jude den heiligen Boden Palästinas tot oder lebendig verlässt. Das ist nicht wahr! Die Hamas verteidigt unser vererbbares Recht, uns überall in Palästina anzusiedeln. Die Juden haben dazu kein Recht, nur wir die muslimischen Palästinenser! Ihr in Deutschland solltet ein Beispiel an unserer Hamas nehmen, dann wären Schlesien und Elsaß-Lothringen schon längst wieder deutsch!
Einfach nur bärenstark!
Euer
Heinz Spiess alias Gutartiges Geschwulst
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Das ist ein Herzchen, Ihr Prof. Dr. A. Husseini! Am meisten gerührt hat mich seine Klage über die Ungleichverteilung der Todesfälle im Gaza-Krieg 2014: über 2.000 Araber hier und nur 73 Juden dort. Ein himmelschreiendes Unrecht.
Und was für ein tiefer Einblick in Kausalzusammenhänge! Der Mann ist nicht umsonst Professor. Der weiß nämlich, dass der Hamas allein schuld daran hat, dass es im Gazastreifen weder Frieden noch Freiheit gibt. Der Islam nämlich, sobald er irgendwo an der Macht ist, garantiert sofort die gleichen Rechte allen Bürgern ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.
Aber der Hamas, der verfluchte, deutet den Koran und die Tradition falsch.
Bis dahin allerdings müsste Husseinis Argumentation die No-Border-Deutschen überzeugen. Besonders der Hinweis auf Dresden dürfte eine sensible Saite zum Klingen bringen.
An seiner Stelle hätte ich aber auf das P.S. verzichtet: Die Heimholung von Schlesien und Elsaß-Lothringen kommt in Deutschland nicht gut an.
Warum glaubt der Herr Professor, dass die Fantastinenser hierzulande so viele Fans haben? Nicht nur wegen der Sache mit den Juden. Das hat auch was mit Gebietsverlusten zu tun, die man als regierungskonformer Deutscher nicht einmal erwähnen, geschweige denn betrauern darf. Umso stärker jammert man dann über die Gebietsverluste von Anderen.
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@schum74: „Die Heimholung von Schlesien und Elsaß-Lothringen kommt in Deutschland nicht gut an.“
Gott ja, warum auch? Welche Vorteile hätten wir durch die islamisierung Schlesiens?
Grüße
G. G.
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I
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Im Kern geht es nur darum: „..ein Volk, das keine Möglichkeit hat, nach Deutschland zu fliehen.“ Na, super.
Ansonsten herrscht die in diesen Kreisen übliche weinerliche Tonlage vor – und die anderen sind immer dran schuld. Darf daran erinnert werden, daß die Bevölkerung seinerzeit, als mal gewählt werden durfte, die Hamas fast einstimmig unterstützt hat? Und es heute wieder mit Begeisterung tun würde? Und die Juden, wenn sie könnten, mit Freude massakrieren würden, einen nach dem anderen? Ein „islamophobes“ Gerücht??
Es gibt zu viele Stellen in diesem Pamphlet, bei dem sich mir die Haare sträuben. Darauf einzugehen lohnt sich nicht. Und der Schlußsatz ist unterirdisch.
Mogherini und Merkel – ein „Traumpaar“ – werden (würden) sorgenvoll nicken und all das schrecklich finden.
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David, Sie haben mitgekriegt, dass Prof. Dr. A. Husseini eine erfundene Gestalt ist, ja? Sein Name lehnt sich nicht zufällig an den des Muftis von Jerusalem. Sicherheitshalber hat Nathan Warszawski ein Bild des originalen Al Husseini mitgepostet. Ah, Al Husseini! Das waren noch Zeiten, als der Islam mit Herz und Hand zu Deutschland gehörte!
Ja, die Haare sollen sich über den hanebüchenen, „bärenstarken“ Brief des Herrn Professors sträuben; eben über die Behauptung, dass die Anderen an der eigenen Misere schuld sind.
Bravo für „das bösartige islamophobe Gerücht“! Laut Jerusalem Post vom 14.12.2015 unterstützen 60% der Palästinenser von Gaza und der Westbank die bewaffnete Intifada gegen Israel, 67% finden Messerangriffe auf Israelis klasse und 70% lehnen die Idee eines Staates ab, in dem Araber und Juden die gleichen Rechte haben sollten.
http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Survey-shows-60-percent-of-Palestinians-support-a-violent-intifada-against-Israel-437288
Das allein müsste die Fantastinenser als „Flüchtlinge“ in Merkelland empfehlen, nicht? Aber Merkel und der gestrige Wahlsieger Rutte, die versprochen haben, jährlich bis zu 250.000 Migranten (alle 4 Jahre eine Million Moslems) aus der Türkei zu holen, haben ihre Gründe, Prof. Dr. A. Husseini, seine Frau und deren 14 Kinder links liegen zu lassen. Als Vorposten der Judenhasser vor Israels Grenzen sind Al Husseinis Erfüllungsgehilfen in Gaza und Schomron/Jehuda der EU nützlicher als in Deutschland und Holland.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article162778752/Merkel-machte-Tuerkei-konkrete-Zusage-bei-Fluechtlingszahl.html
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Ach die armen Palis, wenn ich mal Zeit habe, werde ich sie bedauern! 😉
Und noch ein „furchtbares“ Beispiel:
Ich kann da gar nicht hinsehen, das ist alles so furchtbar!
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