Zwergenaufstände

Der Fall Maaßen will kein Ende nehmen. Längst hat sich diese ´Causa´ zu einer der üblichen Polit-Possen gemausert, deren begleitender Provinzialismus Programm bleibt: So kann man die Affäre ganz leicht – mit links, sozusagen – auf das Niveau eines allzu lauten, immer hysterischer anmutenden Hintertreppengeschnatters herunter brechen. Das jenseits der Türspalten versammelte Publikum stöhnt, und hat doch seine tobsüchtige Freude am giftgeifernden Gegrunze. Wer merkt schon, dass er solcherart bequem vorgeführt wird? Chemnitz und die Folgen – an etwaigen Zusammenhängen oder Hintergründen ist keiner mehr interessiert, das hat sich bis auf weiteres erledigt, nur der Postenschacher zählt. Die Meinungsmacher wollten eine Neiddebatte, sie wollten die Empörung der Gerechten: klappt vorzüglich.

Wohin also mit dem Präsidenten? Auf diese Frage kommt seit Wochen alles an. Im Ausland versteht man indes immer weniger, was der Herr Maaßen Schlimmes angestellt haben soll, dass man sich seinetwegen täglich die Haare rauft oder rupft. Nicht einmal seine ärgsten Kritiker wollen das noch wirklich wissen. Der ursprüngliche Text ist hinter den gängigen, den griffigen Interpretationen verschwunden. Gerade darum lohnt es, einmal mehr ans Original zu erinnern.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wagte zu vermuten (wohlgemerkt: nicht zu behaupten oder fest zu stellen, so weit ging er nie), dass es während der Ausschreitungen in Chemnitz zu keiner Hetzjagd auf ausländisch aussehende Menschen gekommen sei. Dem Verfassungsschutz lägen nämlich „keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben“. Auch lägen keine Belege für die Authentizität eines im Internet verbreiteten Videos vor, das eine solche mutmaßliche Jagd zeige.

So weit so unerhört? Atmen sie nun einen Moment lang ganz gelassen ein und wieder aus. Und lassen sie den geschriebenen Worten Gleichmut, Sammlung folgen. Schließen sie die Augen dabei und zählen sie innerlich langsam bis zehn. Als Sportlehrer empfehle ich das gern hyperaktiven Kindern, denen just die eigenen Gäule durchgehen. Was lässt sich denn, jenseits der geblähten Empörungsarien und Moralkeulen, wirklich festhalten, auf den Punkt genau fest stellen? Gab oder gibt es Beweise dafür, dass in Chemnitz Pogrome stattgefunden haben?

In Wahrheit und in Wirklichkeit ist bis heute kein einziger echter Beweis nachgereicht worden. Mag sich mancherlei Abschaum nach der feigen Ermordung eines Deutsch-Kubaners auf Chemnitz´ Straßen getummelt haben, mögen Hetzjagden bald wirklich stattfinden, heizt sich das Klima in diesem Land nur weiter an: In dieser Stadt ist es gerade dazu nicht gekommen. Das ist auch jenseits der Faktenlage sehr leicht einzusehen. Wenn tagelang Tausende (nicht Hunderte) demonstrieren gehen, begleitet von den üblichen Bloggern und AktivistInnen, links und rechts der Kollerkante, dann muss es, hat´s ne Hatz gegeben, auch eine ganze Flut belastenden Materials geben, und wenn man bedenkt, dass heute jeder irgendwie mit dem Smartphone herumfuchtelt und auf die Sekunde genau Videos produziert, dann kann doch der bis zum Abwinken herumgereichte ´Zeckenbiss´ nicht schon alles gewesen sein. Eines dieser üblichen Wackelvideos, die vor einem stinknormalen Amtsgericht als Beweis gar nicht erst zugelassen werden würden. Das wird Ihnen jeder ehrliche Jurist sofort bestätigen können, aber wenn eine Bundesregierung drauf anspringt, dann sieht die Sache, obschon Tage später ernstlich in Frage gestellt, schon wieder ganz anders aus, dann äußert etwa die Generalanwaltschaft Dresden Zweifel am Zweifel; freilich, ohne dies näher zu begründen, was man vom Herrn Maaßen aber umgehend verlangte. Der Umstand, dass keine weiteren digitalen Verdachtsmomente vorgelegt werden konnten, bis heute nicht, bestätigt nur die Vermutung des Herrn Maaßen, der allein deswegen in die nicht enden wollenden Bezichtigungen geriet. Ist das gesellschaftliche Klima erst einmal an den Rand des Siedepunktes geraten, werden Tatsachen durch Befindlichkeiten ersetzt und begründete Vermutungen weichen wohlfeilen, sprachlich geprüften Verallgemeinerungen. Haut man die dem Publikum nur ausdauernd genug um die Ohren, machen am Ende alle munter mit. Die ursprüngliche (und wohlbegründete) Empörung wird so ganz zweckdienlich umgeleitet.

Was der Präsident des Verfassungsschutzes tatsächlich qua Amt geleistet hat, was er taugt oder nicht: Ich kann das kaum beurteilen. Platt formuliert: Wenn er schlecht war, richtig schlecht, dann darf man ihn jetzt noch sehr viel schlechter reden als er´s wirklich war, das passt schon, das fressen die Leute – mit links. Zugegeben: Mir sind diese Steifkragenträger von der ´Mauschelfront´ nie sonderlich sympathisch gewesen, da will ich ganz ehrlich sein, aber das man einem, der das Meiste sozusagen per Dekret zu verschweigen hat nun vorwirft, sein Maul aufgetan zu haben (statt wie üblich weiter zu tuscheln, alles zu verdecken und verstecken) dass diskreditiert nicht ihn, mehr jene, die ständig Transparenz anmahnen und schon bei den eigenen Nebengehältern allzu gern den Deckel wieder zu machen: Nötigt man sie zur Preisgabe sämtlicher Honorare, die horrend bleiben, bleibt auch denen dann die geifernde Spucke weg. Womit wir abschließend bei den eigentlich Verdächtigen angekommen wären; sie, die den Fall Maaßen in nicht enden wollender Permanenz dazu nutzen, um ihr ramponiertes Renommee damit aufzupolieren, was aber gerade so richtig schief geht – voll in die eigene Hose. Die Eliten dieses Landes haben fertig. Ihnen bleibt jedes Mittel Recht, vom eigenen Unvermögen abzulenken. Der Ämterstreit um den Herrn Maaßen gleicht einem verzweifelt ausgefochtenen Abwehrkampf, der vornehmlich dazu dient, Zeit zu gewinnen um die sich lichtenden Reihen schließen zu können, bevor der Kreis sich ganz zu tut und eine Kesselschlacht die endgültige Niederlage besiegelt. So demnächst in Bayern, und bald erst recht in Sachsen.

Ganz gleich, ob der Herr Maaßen befördert bleibt oder in die kolossal überdotierte Rente abgewinkt wird: der ´Fall Chemnitz´ ist damit vorsorglich zu den Akten gelegt worden. Auf Chemnitz freilich folgte Köthen. Und die Kette wird nicht abreißen. Alle Versuche, das Ausmaß der Gefährdung im Schatten eigens inszenierter Gewitterwolken unkenntlich zu machen, werden einmal, schlägt der Blitz mit voller Wucht ein, im Abgrund der Geschichte enden.

Shanto Trdic, 23.09.18

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3 Antworten zu Zwergenaufstände

  1. anti3anti schreibt:

    Maaßen greift die Bundeskanzlerin an, die behauptet, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Flüchtlinge gegeben hat. Da Maßen dem widerspricht, handelt es sich um Majestätsbeleidigung!

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  2. Paul schreibt:

    Hallo anti3anti,
    die Hetzjagd der SPD gegen Maaßen erinnert mich ganz stark an ähnliche Vorkommnisse in der Vergangenheit. Ich erinnere an Jenninger, Heitmann, Wulff. In allen Fällen betrieb die SPD eine Kampagne gegen die Genannten. Die SPD ersetzt politisches Versagen durch Intrige. Darin ist sie sehr erfolgreich. Auch bei Köhler hatte sie ihre schmutzigen Finger im Spiel.

    Herzlich, Paul

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