Gefährdet, abgehängt – gelinkt

Einem Teil jener studentischen Jugend, die als sogenannte 68er der deutschen Nachkriegsgesellschaft agitatorisch den Marsch blies, warf der damals noch mit glockenheller Stimme auftrumpfende Abgeordnete Schmidt jene ´elitäre Arroganz´ vor, die seines Erachtens ´ebenso gut von rechts außen´ habe kommen können. Mit Empörung wetterte er gegen ´dieses Elitebewusstsein, alles besser zu wissen als die dummen Arbeiter, die dummen Angestellten´. Er tat das vor dem deutschen Bundestag, in Bonn am Rhein. Mittlerweile haben fast alle, die der Altkanzler mit seiner Schelte meinte, den Rentenobolus erreicht. Deren ´Zöglinge´, materiell begünstigt wie keine Generation vor Ihnen, bestätigen den Vorwurf nunmehr bis zum Erbrechen. Die Sorgen und Nöte eines für dumm erklärten Volkes werden von den ´Propagandaabteilungen´ dieser Günstlinge nämlich in reine Befindlichkeiten umgelogen. So aber spricht man ihnen, abzüglich begleitender Fakten, gleichsam jede Geltung ab. Nicht die Verhältnisse liegen quer, nein: Das Volk tut´s. Mit dem scheint was nicht zu stimmen. In diversen Studien, von passenden Instituten in Auftrag gegeben, wird der Befragte zum Patienten, und zwar zu einem renitenten Psychopathen, der sich eine Menge einbildet. Teile der Bevölkerung, heißt es so trefflich wie bezeichnend, fühlten sich bedroht, abgehängt – falsch oder schlecht informiert. Das stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn: Sie fühlen schon ganz richtig. Ihr Unmut richtet sich gegen unhaltbar gewordene Zustände. Dennoch verkaufen uns die von Eliten alimentierten Meinungsforscher den Groll als Überreaktion verwöhnter Wohlstandsbürger, deren rechtsruckelnde Renitenzen unbedingt bekämpft, schlimmer noch: therapiert werden müssen. Freilich: ohne die Vorgeschichte zu berücksichtigen? Gerät bei jedem Intensivtäter sofort die Frage nach den Ursachen seines Fehlverhaltens in den Vordergrund, werden sie in diesem Zusammenhang allenfalls als übertriebene Wahrnehmungsstörungen erkannt. Im ersten Falle steht auch die Schuldfrage ziemlich von vornherein fest, sie liegt weniger beim Täter, eher hat`s die Gesellschaft verbockt. Der man im nämlichen Zusammenhang vorwirft, überreizt und übertrieben zu reagieren. Der Wutbürger ist ein kleiner dreckiger Rassist und hat somit auch gar keinen Anspruch auf die ansonsten allzu locker verteilten Verständnis-Boni Aufsicht führender Elitenvorstände.

Ursache und Wirkung: Das eine reduziert man aufs kollektive Gemüt, das andere darf zur Ausnahme erklärt werden. Fertig. So einfach ist (und bleibt) es. Achten sie drauf: selten wird der Zusammenhang zwischen beidem wortwörtlich erfasst. Denn das hieße: Die Leute fühlen sich bedroht und sind bedroht; praktisch überall, ob auf dem Weg zur Arbeit oder zum Zigarettenautomaten um die Ecke. Sie fühlen sich abgehängt und sind abgehängt, denn ganz klar können und wollen die Eliten nicht dafür sorgen, dass man sie, wie ihresgleichen, rundum schirmt (in Israel versucht man es immerhin, bei uns ist mit der Umwandlung offener Weihnachtsmärkten in betonierte Hochsicherheitstrakte ein absurder Anfang gemacht). Endlich: Sie fühlen sich schlecht informiert und werden es auch. Schon den ermittelnden Behörden werden entsprechende Direktiven erteilt; etwa jene, die Herkunft des Täters so lange wie möglich geheim zu halten, am besten: dieselbe gleich ganz zu verschweigen. Ausnahme: Es handelt sich um einen Biodeutschen. Das kann dann gar nicht oft genug wiederholt und entsprechend betont werden.

Nicht einzig das, was jetzt schon schief geht, wird unter Quarantäne gestellt. Über die weitreichenden, in ihren Ausmaßen kaum abzuschätzenden Folgen einer verfehlten Integrationspolitik darf hierzulande nicht einmal gemunkelt werden. Wer wollte auch so ehrlich sein festzustellen, dass Integration im günstigsten Falle endlos dauert und viel Zeit und Nerven, Geld vor allem kostet, dass sie nie vollauf gelingt und die Schäden jeden möglichen Nutzen weit übertreffen? In den meisten Fällen läuft sie total schief bzw. völlig aus dem Ruder – und doch wird so getan, als sei die Quadratur des Kreises ´machbar´. Die Vorstellung von einer multikulturellen Gesellschaft ist in Wahrheit reinster Größenwahn: Der tobt sich anfangs an den Rändern dieser Gesellschaft aus, bis hin zur goldenen Mitte, die den meisten derer, die sie halten, stet abhandenkommt. Freilich: Wer das öffentlich zu äußern wagt, hat sich damit bereits gründlich diskreditiert.

Das Volk: der eingebildete Kranke. Aber die begleitenden Zwangsneurosen gründen auf tatsächlichen Ereignissen. Gefährdet, abgehängt – gelinkt: ein Dreiklang, der unser Alltagsleben unausgesetzt bestimmt. Die Liste korrespondierender ´Fälle´ ist endlos lang. Ich beschränke mich auf deren drei, das soll reichen.

Beispiel ´Messerattacke´. Ein Phänomen, das in dieser Form neu ist und nahezu täglich jeden treffen kann, aber man lässt die Menschen auch weiterhin ´ins offene Messer rennen´ (O-Ton: absolute Sicherheit kann es nicht geben) und zeigt sich überdies bemüht, das Gros der Fälle dezent unter den Teppich zu kehren. Haben sie es je anders erlebt?

Gewalt an Schulen. Sie nimmt zu, aber man lässt uns Lehrer ziemlich allein damit, während die schlaumeiernden Eliten ihre Kinder vorsorglich an teuren Privatschulen anmelden. Dennoch werden ihre eifrigsten Exponenten nicht müde, Integration und Inklusion als Erfolgsmodelle zu propagieren: praktiziert an Schulen, die deren Nachwuchs wohlweislich nie besuchen wird.

Flüchtlingsunterbringung. Ganz gleich, wie man vermeintliche oder tatsächliche Flüchtlinge verteilt oder auch nicht: Es kommt ständig zu unterschiedlich starken Ausbrüchen devianten Verhaltens, aber auch damit lässt man die Anwohner in den entsprechenden Gemeinden mehr oder weniger allein bis diese schließlich auf die Barrikaden gehen; und erst dann wird davon überhaupt berichtet. Im Morgenmagazin von ARD und ZDF dominieren auch weiterhin arg aufgebauschte, will meinen: entsprechend nachgebesserte Einzelbeispiele, die man als Erfolgsgeschichten den alltäglichen Malaisen vorzieht.

Gefährdet, abgehängt – gelinkt. Wer wollte ernsthaft widersprechen? Ja – Die Gefahr wächst und nimmt immer abseitigere Formen an. Sie betrifft jeden von uns. Ja – immer mehr von denen, die hart arbeiten und Steuern zahlen, werden abgehängt und benachteiligt, nicht einzig im Sozialen. Ja – wir werden verarscht, dass sich die Balken biegen: Der Medienmainstream lügt und betrügt, vertuscht und verheimlicht alles, was auf ´dumme Gedanken´ bringen könnte.

Ein beliebter Trick derer, die für politisch korrekte Meinungsmache zuständig sind: Es wird an Dinge erinnert, die der miesen Laune auf Anhieb widersprechen, wiewohl sie mit den ´gefühlten´ Schieflagen gar nichts zu tun haben. Der Trick ist so simpel wie abwegig. Wer wollte ernsthaft in Abrede stellen, dass der Hartz IV Rentner von nebenan ungleich besser da steht als ein Tagelöhner, der im Kongo nach Coltan gräbt? Verglichen mit den Lebensbedingungen, die ein Heuerlingsknecht um die Jahrhundertwende vorfand, nimmt sich das Schicksal derer, die zum Prekariat zählen, einigermaßen bekömmlich aus. Komfort und Konsum konnten bei uns in den letzten Jahrzehnten in einem kaum für möglich gehaltenen Maße gesteigert werden, doch jenseits der Frage, zu welchem Preis dies geschah, stellt sich für jeden einzelnen nahezu täglich die nicht minder dringliche Frage, was das mit Messerstechern und Bombenlegern, dem Ausverkauf eigener kultureller Werte oder der Bevormundung durch Ämter und Behörden zu tun habe.

Ungleichheit hat es natürlich schon immer gegeben. Aber wenn laut SPIEGEL-Online ganze 45 Deutsche jetzt so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Steuer zahlenden Bevölkerung, dann ist das im günstigsten Fall peinlich, im Grunde aber ein Skandal. Schon 2014, so die entsprechende Studie, besaßen die reichsten fünf Prozent mit 51,1 Prozent mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens. Wenn man diesbezüglich in Betracht zieht, dass der Bundesfinanzminister plant, für jeden anerkannten Flüchtling 16.000 Euro für fünf Jahre an die Länder zu überweisen als voraussetzungslose Pauschale, kann man den just erwähnten ´Modernitätsverlierern´ doch nicht vorwerfen, dass sie entweder resignieren und den Kopf in den Sand stecken oder aber, in der einen oder anderen Form, vernehmlich aufmucken. Sorry: Wer uns ständig mit unpassenden Vergleichen zu beschwichtigen versucht, darf sich über solche Vergleiche nicht beschweren.

Die Europäer von heute, so heißt es dauernd, seien satt und müde geworden, würden auf hohem Niveau jammern und gefielen sich in der unrühmlichen Rolle antriebsloser Pessimisten. Sie haben es auch wirklich satt und sind es müde, verschaukelt zu werden. Statt also zu jammern oder im toten Winkel vor sich hin zu muffeln, sollten die etwas Tatkräftigeren unter den Empörern dem Beispiel jener Gelbwesten folgen, deren Diffamierung durch hiesige Leitmedien bezeugt, wie berechtigt deren Unmut tatsächlich ist. Würde der Elitehöfling Macron ansonsten das Militär mobilisieren? Vielleicht wird er die Truppe bald auch Richtung Süden in Stellung bringen: Wenn der algerische Massenprotest scheitert und Millionen ´Flüchtlinge´ die Grande Nation zusätzlich erschüttern.

Gefährdet, abgehängt – gelinkt: hat man vor allem die Jugend in den mediterranen Anrainerstaaten, wo der Pauschaltourismus auf brachiale Art und Weise boomt und kaum absehbare Verheerungen verursacht. Von diesem Geschäftsmodell profitieren nur die großen Anbieter selbst. Wer was auf sich hält, haut ab; die Drecksarbeit erledigen Tagelöhner aus dem noch ärmeren Osten. Soll so das vielbeschworene europäische Modell funktionieren?

Ein alternativloses, natürlich. Aber dieses Europa der Bevormundungen und Diktate, Alleingänge und Sonderstatuten, Uneinigkeiten und Ungleichheiten: ist endgültig gescheitert und in zahlreiche divergierende, einander ständig befehdende Hälften zerfallen. Diese werden zusätzlich heimgesucht durch die größte Völkerwanderung aller Zeiten, der man in Marrakesch soeben die letzten völkerrechtlichen Weihen verliehen hat. Trübe Aussichten. Die EU krankt insgesamt an einer ganzen Reihe hausgemachter Unzulänglichkeiten. Man erinnere sich in Anbetracht unserer Situation der Worte Oswald Spenglers. Alles, was zu groß geraten ist, meinte der große Geschichtskenner, geht an der Kleinheit seiner Erben zugrunde.

Shanto Trdic, 31.03.2019

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2 Antworten zu Gefährdet, abgehängt – gelinkt

  1. scheylock schreibt:

    Recht hatte er, wenn ich als linker Juso auch vieles nicht akzeptiert habe, was Helmut Schmidt sagte und tat. Damals waren das die Kinder der Nazis, sie bekämpften ihre Eltern mit eben den totalitären Methoden, wie diese angewendet hatten.

    Was man heute als Grüne sieht, das sind die Enkel. Bei denen ist es wie bei den Muslimen in der dritten Generation hier: Sie sind noch radikaler als ihre Eltern.

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    • scheylock schreibt:

      Bernward Vesper (1938 – 1971), Lebensgefährte von Gudrun Ensslin und Vater von Felix Ensslin, in seiner Autobiografie die Reise, geschrieben 1970/71:

      .“Ja, ich wußte genau, daß ich Hitler war, bis zum Gürtel, das ich da nicht herauskommen würde, daß es ein Kampf auf Leben und Tod ist, der mein Leben verseucht, seine gottverdammte Existenz hat sich an meine geklebt wie Napalm”. (107)

      Er ist niemals aus der Nazi-Struktur herausgekommen, in die ihn sein Vater gestampft hat, und am Samstag, den 15. Mai 1971, hat der Nazi Bernward Vesper das unwerte Leben desselben ausgemerzt.

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