„Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin!“ So stand und steht es bei Brecht, den ich nicht mag, nie gemocht habe und nie wirklich mögen werde. Das Zitat lügt sowieso, denn es sind immer die falschen Leute, denen es im richtigen Moment einfällt. Fügig zurechtgelegt, konnte und kann man damit unliebsame Gegner bequem niederstrecken und die noch Zweifelnden mundtot machen. Längst haben unsere Eliten den Fundus alternativer oder gegenöffentlicher Allgemeinplätze geplündert und für ihre Zwecke ´umgedreht´. Sorgsam in der Selektion, suchen und finden sie die ihnen passenden oder genehmen Stichworte, und entscheiden recht selbstherrlich, wann diese – gezielt – zum Einsatz kommen können. Was ausgespart oder aufgebauscht, verschwiegen oder lauthals verkündet wird: kungeln die Wenigen, die Privilegierten untereinander aus – auf Kosten derer, die noch übrig sind oder bleiben. Mucken ein paar von denen noch auf, sind´s Populisten oder Verschwörungstheoretiker.
„Stell dir vor es brennt, und keine Sau redet davon.“ Nachdem es tagelang kein anderes Thema mehr gegeben hat, wohlgemerkt! Denn das, was auf Lesbos (mit Erfolg) ausprobiert wurde, hat längst Schule gemacht. Fürs erste auf der Insel Samos. Vor dem Registrierzentrum (sic!) des dortigen Lagers brach ein Brand aus, den freilich die verantwortlichen Stellen noch vor Ort unter Kontrolle bringen konnten. Also halb so wild das Ganze? Sechs Tatverdächtige (allesamt Migranten) hat man mittlerweile festgenommen – und fertig. Das war es schon. Mehr kam, mehr kommt nicht mehr in dieser ´Sache´. Denn sie stört jetzt gewaltig, will man das von Deutschland ehrgeizig angeschobene Projekt dauerhafter Um- und Weiterverteilung vermeintlicher ´Flüchtlinge´, nicht nachhaltig gefährden. Man könnte also einerseits von Ausnahmen sprechen (und heimlich beten, dass es welche bleiben), und andererseits behaupten (unermüdlich, wie immer), dass eben die Zustände vor Ort Schuld an einer ´Verzweiflung´ bleiben, die im Ergebnis trotzdem ein Verbrechen ist.
„Stell dir vor, da knallt jemand zwei Leute ab, mal eben so – und keinen kratzt es noch.“ So geschehen vor einer Woche in Los Angeles. Festgehalten auf einem Video, das an Anschaulichkeit, trotz mangelnder Bildqualität, nicht viel zu wünschen übrig lässt. Die Szene erinnert an eine Hinrichtung, eiskalt exekutiert. Der Täter, ein junger Mann, zielte durch das geöffnete Fenster der Beifahrertür in ein Polizeiauto hinein und verletzte die dort sitzenden Beamten lebensgefährlich; unter anderem am Kopf. In voller Mordabsicht also. Die Zusammengeschossenen hatten erst vor 14 Monaten die Polizeiakademie abgeschlossen. Vor dem Krankenhaus, in dem die beiden nun liegen, tobte ein Mob (im deutschsprachigen Raum werden ´DemonstrantInnen´ draus); und wünschte diesen Menschen lauthals den Tod. Davon freilich ist nur ganz an Rande die Rede gewesen, mehr empörten sich unsere Leitmedien darüber, dass der böse Trump solchen, die andere auf derart niedere Art und Weise richten, als ´Tiere´ bezeichnete. Freilich ist das eine Beleidigung für jedes Tier. Oder bin ich selbst eins, wenn ich das so äußere? Jedenfalls ist dieser ´Vorfall´ schnell zu den Akten gelegt worden, während umgekehrt den Opfern von Polizeigewalt wochenlang eine Aufmerksamkeit geschenkt wurde, die an publizistische Zwangsneurosen erinnert. Wenn man sieht, wie locker lässig die coolen Kapuzenträger im Ghetto ihre Salven abfeuern, muss man sich umgekehrt doch gar nicht wundern, dass den Ordnungshütern ihrerseits jedes Mittel recht ist, die eigene Haut zu retten. Wer für die Eskalation am Ende hauptverantwortlich ist oder nicht, spielt eine wesentliche Rolle, aber man gewinnt den Eindruck, dass die Meinungsmedien diesbezüglich längst entschieden haben.
Denn das sind eh alles Nazis. Hat uns der eklige Herr Reul schließlich verkünden müssen, mit Einschränkungen natürlich, aber die bestätigen jede Regel und deswegen ist das jetzt ein Thema für mindesten einen halben Monat. Vielleicht, nein: Ganz gewiss muss es auch daran liegen, das unsere zukünftigen FacharbeiterInnen aus Afghanistan oder dem Irak, aus Syrien oder Nordafrika ständig mit dem Messer herumfuchteln und Innenstädte in Partyzonen verwandeln, wo dir Stühle und Tische um die Ohren fliegen, bevor sie zu Kleinholz verarbeitet werden. Was guckst du, Scheißbulle! Tatsächlich steht zu befürchten, das noch sehr viel mehr Polizeibeamte auf rechtspopulistische Abwege geraten, vorneweg all jene, die in Neukölln oder Marxloh Streife fahren, wiewohl der Ausnahmezustand längst die beschaulichen Provinzen vermeintlich behüteter Bezirke erreicht hat. Schon komisch: Kaum in Deutschland angekommen (wo sie nun wirklich alle hin wollen), werden diese armen Jungs so tierisch diskriminiert, dass ihnen gleich im Kollektiv die Sicherung durchtickt. Immerhin scheint ihnen das richtig Spaß zu machen.
Davon sei dann aber zu schweigen, solange es nur irgendwie geht. Wenn von hundert illegal eingewanderten männlichen Jugendlichen einer als vorzüglich integrierter Schwiegersohn von nebenan inszeniert werden kann (geschieht bei ARD und ZDF täglich), muss man sich um die restlichen Rabauken gar nicht mehr kümmern, deren Tun und Treiben störte nur die geschwiemelte Wellness, deren verlogene Volten man selbst denen verordnet, deren Lebenswelten bereits mit dem importierten Orient kollidieren – und vor der Übermacht einfacher Minderheiten kapitulieren. Eine so ´gepflegte´ Berichterstattung erinnert verräterisch an Formate wie die ´Aktuelle Kamera´ oder den ´Schwarzen Kanal´, auch wenn sie noch so trendy und fortschrittlich, so nervtötend ´Duz-freundlich´ und Kumpel-kackig herüber kommt. Sie ist verlogen wie das Eingangszitat vom ollen Brecht. Und deswegen erlaube ich mir abschließend, denselben Kniff mit einem Ausspruch, der fälschlich dem Autoren Kurt Tucholsky zugeschoben wurde, in Wahrheit aber vom Kunstmaler Max Liebermann stammt:
„Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen möchte.“
Shanto Trdic 20.09.2020
Erschienen unter
Stell dir vor…
„Stell Dir vor, es ist Frieden – und einer geht nicht hin.“
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