Vom Fringsen und Woelken des Allernötigsten

Josef Kardinal Frings ist von 1942 bis 1969 Erzbischof von Köln. Noch heute ist er in Köln bekannt und beliebt, auch wenn er sich während der Zeit des Nationalsozialismus für Juden eingesetzt haben soll. Von seinem Namen ist das „Fringsen“ abgeleitet. An Silvester 1946 hat er nach Aussagen seines heutigen Amtsinhabers Woelki folgendes gepredigt haben:

Im äußersten Notfall dürfe man stehlen, was man zum Überleben brauche – mehr aber auch nicht.

Die Umsetzung dieser seiner Worte in die Tat nennt der Kölner „Fringsen“.

Doch damit ist der Redefluss des heutigen Kölner Kardinal Woelki, der weit weniger beliebt ist als sein Vorgänger, nicht beendet. Er redet weiter:

Man kann 1946 natürlich nicht mit 2016 vergleichen. Es gibt heute Sozialsysteme, Sozialhilfe, Tafeln und Unterkünfte für Menschen, die auf der Straße leben müssen. Aber ich würde immer sagen: Im Extremfall, wenn all das nicht tragen sollte, würde ich auch heute noch zu dem stehen, was Kardinal Frings damals 1946 als Ultima Ratio gesagt hat.

An Silvester 1946 nach dem verlorenen Krieg frieren viele Kölner und leiden unter Hunger. Silvesterpartys am Dom sind noch nicht üblich. Die Menschen, die den Krieg überlebt haben, haben andere, „echte“ Sorgen. Das Fringsen ist eine Möglichkeit zu überleben. Man muss man dem Kardinal Woelki Recht geben. Mundraub ist zwar straffrei, jedoch heute nicht zwingend notwendig, da es Sozialhilfe, Tafeln und ausreichend (?) Unterkünfte für die Benachteiligten und Armen gibt. Damals sind alle benachteiligt, denn sie haben gemeinsam den Krieg verloren: die Profiteure, die vielen Mitläufer, die wenigen Widerstandskämpfer und die mutmaßlichen Unschuldigen.

Warum erwähnt Kardinal Woelki das Fringsen? Weil Kardinal Frings die Rede vor 70 Jahren gepredigt hat? Um sich von seinem beliebten Vorgänger etwas abfallenden Glanz zu holen? Oder gehen Kardinal Woelki die Ereignisse des letzten Silvesters am Kölner Dom nicht aus dem Kopf, die sich in wenigen Tagen an gleicher Stelle wiederholen könnten? Oder will er uns 70 Jahre nach dem Fringsen zu Silvester 2016 gar das Woelken predigen? Was ist denn „Woelken“?

Beim Woelken handelt es sich laut Angaben Woelkis nicht um Mundraub, da es Sozialhilfe, Tafeln und ausreichend Unterkünfte für die Benachteiligten und Arme gibt. Was fehlt heute dann den Ärmsten der Armen?

Kardinal Woelki stimmt zu, dass zu den Ärmsten der Armen, die sich zu Silvester vor dem Dom versammeln, auch die Flüchtlinge zählen, die nach großen Entbehrungen oft einsam und alleine in Köln gestrandet und geblieben sind. Sie haben genug halal zu essen, werden jedoch nicht satt! Denn sie sind von der deutschen Wohlstandsgesellschaft ausgegrenzt. Weil sie anders sind.

Was den einsamen, gewöhnlich jungen männlichen Flüchtlingen fehlt, ist Zuneigung und Liebe. Ohne genau die einzelnen Worte Woelkis zu verstehen, vollziehen die jungen männlichen Flüchtlinge das Woelken tief im Inneren nach:

Im äußersten Notfall darf man Liebe stehlen, wenn man es zum Überleben braucht – freiwillig geben die Deutschen sie nicht heraus.