Deutschland im Krieg

Nous avons glissé dans le sang et dans la merde
wir sind ins Blut und in die Scheiße reingerutscht.“

Jacques Massu (1908 – 2002), französischer General

Dann kam ein Satz, der alle Leitartikel flaggte. Den IS, so Angela Merkel, müsse man ab sofort auch mit militärischen Mitteln bekämpfen. Ja – sie hat es gesagt. Wie oft die für ihr Zaudern bekannte Kanzlerin den angefeuchteten Finger in die Luft hielt, bevor sie die Schlagzeile endlich auf gewohnt mürrische Weise aus sich heraus presste, ist nicht bekannt. Sie nahm sich, wie immer, sehr viel Zeit. Wenn heute über die Entsendung von immerhin 1200 BundeswehrsoldatInnen Richtung Levante entschieden wird – ein Einsatz, dessen Kosten allein für das erste Jahr auf 134 Millionen Euro geschätzt werden – dann offenbart sich jenseits der üblichen Floskeln bereits die ganze Kopflosigkeit einer auf bloßen Aktionismus setzenden Kaste eilfertiger Mandarine:“ Im Mandatsentwurf finden sich weder sicherheitspolitische Begründungen noch Einsatzziel. Und als Rechtsgrundlage werden verschiedene Resolutionen wackelig zusammen geschustert.“ (WELT-online; 01.12.15). Als wenn derlei lästige Formalia je eine Rolle gespielt hätten. Die deutsche Öffentlichkeit sorgt sich schon jetzt sehr begründet um innere Sicherheit während Frau von der Leyen mit der Technik ihrer Tornados protzt. Luftaufklärung und maritimer Begleitschutz – klingt gut. Dennoch mehren sich dieser Tage Fragen nach Deutschlands Interessen in Nahost. Eine handfeste Strategie im Kampf gegen den Terror will kein Experte erkennen. Das gilt im Grunde für alle Beteiligten, deren Würdenträger sich neuerdings wieder sehr weit aus dem Fenster lehnen. Mit dem Kämpfen ist das überhaupt so eine Sache. Derzeit geht weder bei Russen noch Amerikanern die Bereitschaft dazu so weit, den Mordbanden des islamischen Staates am Boden auf den Leib rücken zu wollen. Sie schießen also scharf nur von ganz oben. Deutschland klärt von noch weiter oben noch schärfer auf. Mehr denn je gilt: bloß nicht in Blut und Scheiße reinrutschen. Auch die mit Abstand schlagkräftigste Armee dieser Welt (Zahal) vermag nicht, eine unerbittlich asymmetrische Auseinandersetzung abschließend für sich zu entscheiden. Sichere Siege kann es im 21. Jahrhundert nicht mehr geben. Einzig der IS bildet sich ein, den ´jüngsten Tag´ im Anschluss an eine tausendvierhundertjährige ´Entwicklung´ global zu erzwingen. Deutschlands Syrien-Abenteuer wird wohl, sobald es schief geht, halbwegs glimpflich zu beenden sein. Ein anderes, nicht minder fragwürdiges, wirft seine Schatten umso düsterer voraus, auch wenn im Moment keiner mehr davon redet.

Zwei starke, ungediente Frauen sind sich einig: nach der Tragödie von Paris müssen wir dem Franzmann gleich an mehreren Schauplätzen unter die Arme greifen. Ursula von der Leyen, im schummeln und tricksen recht geübt, gibt vor, unserem wichtigsten Verbündeten auch in Westafrika großzügig den Rücken frei halten zu wollen. Mehr noch: ´Der Friedensprozess in Mail muss voran gebracht werden´. Geplant sei, das derzeit auf 200 Mann/Frau reduzierte Streitkräfte-Kontingent, deren Mitglieder übrigens nicht durchweg bewaffnet sind, um weitere 650 aufzustocken. Die Strategie ist einfach: ein simpler Ortswechsel soll´s bringen. Die derzeit im Süden ´etappierenden´ SoldatInnen rücken demnach so schnell wie möglich in den wilden Norden ab, wo das frisch entsendete Häuflein aus Übersee dann schon in Stellung liegt. 400 niederländische SoldatInnen komplettieren das ´Team´. In summa also 1250 Uniformierte für Mali. Mickrig? Viel weniger als das. Wie soll ein Gebiet, so groß wie Frankreich und Deutschland zusammen, mit diesem kläglichen Aufgebot auch nur sondiert werden? Es grenzt an Größenwahn zu glauben, dass Einsätze solcher Art den begleitenden Aufträgen im Ansatz genügen könnten. Peace-keeping und Nation-building sind auch auf dem Balkan, wo sich ein Sammelsurium internationaler Truppen seit den Neunzigern zu Tode langweilt längst gescheitert: ersteres bleibt trügerisch, letzteres eine Farce. Nichts ist wirklich geregelt. Und es bleibt nur eine Frage der Zeit, bis es auch dort wieder knallt. Bezeichnend, dass die vordergründig befriedete Region im Herzen Europas dieser Tage gar nicht erst zum Vergleich herangezogen wird. Eine andere übrigens auch nicht mehr.

Erinnert: im relativ überschaubaren Kundus im Norden Afghanistans waren einmal bis zu 1420 BundeswehrsoldatInnen stationiert. Das Verteidigungsministerium butterte insgesamt 250 Millionen Euro allein in die Infrastruktur des Feldlagers. Erst nach ziemlich genau zehn Jahren Dauerpräsenz verabschiedete sich die starke Truppe wieder. Das kostspielige Unternehmen ging vergleichsweise glimpflich aus. 25 Soldaten fielen. Doch auch der Blütentraum von einem modernen Afghanistan, den anfangs ernstlich alle träumten, zerfiel in Windeseile. Dafür gibt es handfeste Beweise. Die kann man mittlerweile frei Haus besichtigen. Nach dem Abzug der Deutschen war das gigantische ´Wehrdorf´ im Norden schnell nicht mehr wieder zu erkennen:“ Kein Wasser, kaum Strom, versiegelte Räume: Seit die Bundeswehr ihr Lager in Kundus an die Afghanen übergeben hat, verfällt es. Die Deutschen wollen nicht mehr helfen.“ (ZEIT-online; 30.03.2014). Es lohnt, diesen Bericht in weiteren Auszügen zu zitieren: sie ernüchtern ungemein und geben auf fast satirische Weise einer Art Endzeitstimmung Ausdruck, die vom unerbittlichen Verfall gekennzeichnet ist. „Kies quillt aus den Löchern. Straßen im Lager haben sich abgesenkt. Der Asphalt hat Risse, die Wassergräben neben den Wegen sind eingebrochen. Bäume und andere Pflanzen vertrocknen. Die meisten Gebäude – darunter die raketensichere Verpflegungshalle und die Wohn- und Bürocontainer – wurden vom afghanischen Innenministerium versiegelt, nachdem die Bundeswehr abgezogen war. Sie stehen leer. Aus dem Innenministerium in Kabul heißt es, es sei nicht endgültig entschieden, wie das Camp weiter genutzt werden solle.“ (ebd.) Erinnert irgendwie an Mad Max, oder? Der zweiseitige Online-Bericht strotzt nur so vor geborstenen Rohren, verluderten Räumlichkeiten und abgewrackter ´Hochtechnologie´: von der zentral gesteuerten Heizungsanlage bis zu den Generatoren, Trafo-Containern und Dieseldepots: alles marode, futsch oder fort. Ein akkreditierter Würdenträger namens Asis R. nimmt kein Blatt vor den Mund:“ „Die Menschen, die diese Systeme installiert haben, sind nicht hier“, sagt er. „Wir kennen diese Systeme nicht und können niemanden fragen.“ Er glaubt, dass seinen Vorgängern im Lager alles von den Deutschen erklärt wurde. Weitergegeben worden sei dieses Wissen aber nicht.“ (ebd.) Zehn Jahre Demokratie-Export haben also in der Steinwüste Nord-Afghanistans einen einzigen Schrotthaufen hinterlassen. Vom florierenden Drogenhandel und einer umfassenden ´Rück-Talibanisierung´ in den Dörfern wollen wir gar nicht erst anfangen. In den ersten Jahren, die der Ankunft deutscher Soldaten in Afghanistan folgten, überschlugen sich die Leitartikler noch in Lobeshymnen, die heute absurd klingen. Da war ständig von einer ´ganz tollen Entwicklung´ die begeisterte Rede, und über das gute Verhältnis der Besatzer zu den Einheimischen, dieser ´Affenliebe der Afghanen´ (Peter Scholl-Latour) schwärmten alle, die ihre Blicke entsetzt vom Irak abwendeten: in Afghanistan, so die saloppe Formel, sei eben alles anders. Schleichend vollzog sich auch in dieser kargen Gebirgsregion der Wandel. Patrouillen fanden bald nicht mehr zu Fuß in den Gassen Kabuls, am Ende nur noch im gepanzerten Fahrzeug statt – weiter draußen. Die männlichen Mitglieder der Truppe ließen sich nun vorsorglich lange Bärte wachsen. Und igelten sich zunehmend ein. Ihre zumeist hinterrücks gemeuchelten Kameraden wurden anfangs als tragische Pechvögel angesehen. Von bedauernswerten ´Ausnahmen´ sprach bald keiner mehr. Unsere Experten bestanden umso hartnäckiger darauf, dass es sich um eine Friedensmission handele, die ´jetzt erst Recht´ weiter geführt werden müsse. Wir hören es dieser Tage schon wieder bis zum Abwinken, dieses trotzköpfige ´Jetzt erst recht´ – tatsächlich nur ein ´schon wieder´. Die Regierung Schröder verzichtete seinerzeit auf eine Beteiligung am Irak-Krieg, denn am Hindukusch, so ihr Kalkül, käme es schon nicht zu Exzessen, die zwischen Euphrat und Tigris rasch alle Hoffnungen auf einen demokratischen Islam unter Bergen von Leichen begruben. Die Regierung Merkel möchte nun in Syrien und Mali ihre Bündnistreue auf gewohnt geschmeidige Art und Weise unter Beweis stellen. Nach Nine Eleven waren wir für einen Tag alle Amerikaner. Nach den Anschlägen von Paris sind wir zu trotzigen Franzosen geworden. Jetzt erst recht und sowieso. Aber wir stehen nicht forsch in der Habachtstellung. Ängstlich drängt es uns in die vermeintlich sichere Deckung. Wir sind weniger zum entscheiden Angriff, mehr zur dauernden Abwehr bereit.

Wie sicher 1200 Uniformierte in Jordanien, Kuweit oder der Türkei am Ende wirklich sein werden, weiß ich nicht. Aber die Situation im Norden Malis ist im Unterschied zu jener, der unsere Staatsbürger in Uniform im Anfangs noch ruhigen Kundus begegneten, bereits jetzt extrem gefährlich. Wer meint, man könne dem beinharten IS elegant ausweichen, weil der vermeintliche Nebenkriegs-Schauplatz in der afrikanischen Wüste dazu tauge, einmal mehr zivil-staatlich auf Sand zu bauen, der streut denen, die immer noch an eine Transformation post-kolonialer Gebilde glauben, nur weiteren Kies in ihre kurzsichtigen Augen. Am Wochenende kam kurz die Meldung durch, dass bei einem Raketenangriff auf einen malischen UN-Stützpunkt mehrere Menschen um´s Leben gekommen seien. In den Fernsehnachrichten dominierte bereits der anstehende, sündhaft teure Klima-Gipfel. Mali musste dem Wetter weichen. Zahlreiche Bombenanschläge in dem Land wurden und werden von unseren Leit-Medien gar nicht erst (oder nur am Rande) erwähnt. Es braucht wenig Phantasie sich vorzustellen, dass am Ende französische Paras oder US-amerikanische Marines in Nord-Mali dazwischen grätschen, wenn Geiselnahmen deutscher SoldatInnen oder deren Hinrichtung vor laufender Kamera unerträglich geworden sein werden. Das wird dann auch die Lügen-Presse lüstern aufgreifen. Geht anschließend ein richtiger Ruck durch´s Land oder zeitigt derlei Reality-TV nur fiese Risse entlang gesellschaftlicher Ränder, die dann wie frische Wunden klaffen?

Anschließend an den Kosovo und Afghanistan wird es nun also mit ziemlicher Sicherheit ein drittes und viertes Mal zu einem deutschen Militäreinsatz Out of Area ohne Rückendeckung der Vereinten Nationen kommen. Die Spielverderber von der LINKS-Partei und den Bündnis-Grünen werden das nicht zu verhindern wissen. Im Grunde haben die ihre Texte so auswendig gelernt wie jene, die jetzt schon wieder den alten, längst wiederlegten Phrasenhaufen der Vergangenheit bemühen. Die notorische Verantwortungslosigkeit unserer Politiker lässt sich hervorragend anhand aktueller Äußerungen abschätzen. Stellvertretend für diese grob fahrlässig handelnden Karrieristen soll an dieser Stelle der ehrgeizige CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter zu Wort kommen, einer von diesen ´jungen Wilden´ in der Union, deren verbale Verlautbarungen nahezu deckungsgleich denen entsprechen, die man uns seinerzeit in Sachen Afghanistan um die Ohren bügelte. Halten sie sich vorsorglich die Hand vor den Mund, ihnen könnte schnell schlecht werden.

„Deutschland muss seinen Beitrag leisten!“ lautet die kernige Überschrift; denn:“ Mali darf nicht im Chaos versinken.“ (Deutschlandfunk-online, 23.11.15). Kiesewetter, so viel steht fest, ist ein Visionär. Die ernsthaft beabsichtigte Befriedung des riesigen westafrikanischen Staates kann für einen Ranghohen Ex-Bundi, der in den zahlreichen Etappen seiner Laufbahn die Schreibtischkanten der Stäbe gründlich kennenlernte, nur ein lausiger Anfang sein. Unser Kampf gegen den Terrorismus, so dieser ´Experte´, dürfe sich nämlich nicht einzig auf Mali beschränken, langfristig müsse man – wir – auch an die Nachbarstaaten oder an Libyen denken. Diese entsprechen insgesamt immerhin einer Gesamtfläche Westeuropas, aber was kratzt das den Kiesewetter? Wie viele Hundertschaften an SoldatInnen für eine solche ´Interkontinental-Mission´ abgestellt werden sollen, mag uns der Oberst a.D. derzeit nicht stecken. Es geht ja jenseits solcher Zahlenspielchen um Wichtigeres. Die Regierung in Mali, so der Experte, müsse stabilisiert werden, weil sie nicht Gewalt über das ganze Land ausübe. Über die konkrete Anwendung von Gewalt will der nette Reservist aber ungern reden, lieber weist er darauf hin, dass die Bundeswehr vor Ort schon sehr stark im Bereich der Ausbildung engagiert sei. Auf die Frage, ob man gegen Rebellen oder Terroristen kämpfe, weicht Kiesewetter nicht nur inhaltlich sondern auch geographisch aus, da zieht´s ihn noch weiter in den immer wilderen Norden des dunklen Kontinents. Er fasst seine Planspiele wie folgt zusammen:“ Wir müssen alles tun – und das macht ja auch unsere Diplomatie -, dass in Libyen eine stabile Regierung etabliert wird und damit dort quasi der Bereich, wo so viele Waffen auch nach Mali, nach Nigeria, in den Südsudan ausgebreitet werden, dass diese Waffenverteilung endet, aber eben auch die Ausbreitung des Terrorismus. Das ist eine größere Operation, die sich nicht nur auf Mali beschränken kann.“ (ebd.) Der Interviewer erinnert den Mann kein einziges Mal an Afghanistan. Aber dessen Verlautbarungen erinnern im Laufe des Gesprächs immer verräterischer an dieses Fiasko: “Die Ertüchtigung und Befähigung von Staaten wie Mali schließt auch Regierungsberatung mit ein. Dazu gehört auch, dass wir sehr sorgfältig auf das achten, was die Regierung im Innern durchführt.“ (ebd.). Ob die sich auch so leicht kaufen lässt wie seinerzeit der bunten Haufen afghanischer Stämme? Der ganze Klüngel hat ja damals auf dem Petersberg kräftig abgesahnt, aber dazu äußert sich kein Politiker, diese miesen Schmieren werden vielleicht einmal in zwanzig oder dreißig Jahren ´aufgearbeitet´; im Aufarbeiten sind die Deutschen Weltmeister. Kiesewetter will uns den kommenden Einsatz, der sicher auch nicht ohne ´Handreichungen´ auskommen wird, schon jetzt als Erfolg verkaufen: “Nicht nur die Bekämpfung der Aufständischen, sondern auch Stabilisierung von Regierungen und Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit“ sei Aufgabe der Bundeswehr. Kein Wort zu den Kosten, möglichen Verlusten und derlei Spielverderberei mehr. Wir – seine StaatsbürgerInnen in Uniform – schaffen das. Jetzt erst recht. Bis auch in der malischen Einöde die maroden Rohre aus der Tapete platzen und Stämme der Tuareg Gewinnträchtige Reste eines jäh verlassenen ´Camp zur guten Hoffnung´ auf dem Schwarzmarkt verhökern. Das wird dem adretten Lächeln eines Politikers, der weniger in historisch-kulturellen Zusammenhängen, mehr in raschen Karrierezyklen denkt, keinen Abbruch tun. Er hat die Auslandseinsätze der Bundeswehr in den entsprechenden Stäben, nicht in ´Blut und Scheiße´ verfolgt. So einer hat immer gut Lachen.

Mag unser bisheriges militärisches Engagement schon von Ernüchterung gekennzeichnet gewesen sein: der Einsatz in Mali könnte am Ende zu Deutschlands ´Vietnam´ werden. In diesem Failed State steht jenseits einer ohnehin fragwürdigen Stabilisierung korrupter Regierungscliquen viel mehr auf dem Spiel – auf Messers blutiger Schneide. Die Probleme der Sahelzone kulminieren in der Region, spitzen sich stündlich zu, auch wenn die Öffentlichkeit davon kaum Kenntnis nimmt. Überall dort, wo rechtgläubige Mordbanden miteinander wetteifern ist die Lage schon verwickelt genug, hier gipfelt die Verworrenheit in einem zwielichten Netz aus Stämmen, grünen Brigaden und Einsatz-Kommandos, deren Verschwörer-Zentren gar nicht mehr vor Ort justiert werden können. Die faktische Zweiteilung des Landes nach dem Militärputsch vor drei Jahren scheidet Mali in einen bis zu den Anschlägen von Bamako vermeintlich sicheren, überschaubaren Süden und den dubiosen Norden, wo im Grunde keiner so genau weiß, wer da gerade mit wem verbündet ist, um das nächste Gemetzel zu veranstalten. Diese simple Zweiteilung in einen verbündeten Süden und einen feindlich gesinnten Norden erinnert auf Anhieb an Vietnam, aber dort hatten es die Amerikanern ´nur´ mit dem Vietcong zu tun, mit dem die unterschiedlichen Marionetten-Regierungen Saigons auch nie fertig wurden, obschon der Partner nahezu alles aufbot, was an militärischer Potenz damals zur Verfügung stand. Nie war man so kühn in den Norden einzumarschieren, denn das hätte China, weniger die Sowjets auf den Plan gerufen. In der Sahelzone lauern keine Weltmächte. Dort hat man es mit ganz anderen Gegnern zu tun.

Das Mali-Abenteuer eröffnet, so es vom Parlament tatsächlich abgesegnet würde, die Ouvertüre für einen seltsamen Zweifrontenkrieg. Wenn spätestens im Frühling kommenden Jahres ein weiterer, ungleich gewaltigerer Exodus Deutschland heimsuchen wird und in etwa zeitgleich die ersten Kontingente der Bundeswehr in heimtückische Partisanengeplänkel verwickelt werden, dann dürfte die ohnehin angespannte Lage an der ´Heimatfront´ einen weiteren Stimmungsumschwung bewirken, der breite Teile einer eher unentschlossenen Mittelschicht alarmiert und in die falschen Arme treibt. Ob es bis dahin auch zu den unvermeidlichen Terror-Anschlägen gekommen sein wird, bleibt ungewiss.

Es gab mal eine Zeit, da musste man – die halbe Welt – sich beinahe täglich vor deutschen Soldaten fürchten. Jetzt fürchten sie sich selbst, vor jedem neuen Kampfeinsatz, den ihnen Frau von der Leyen als logistische Routine verkauft. Hand aufs Herz: so gefallen sie mir doch lieber als andersherum. Ich war ja selbst mal bei der starken Truppe, damals noch für volle zwölf Monate, und kann mich gut daran erinnern, wie der eine oder andere von denen gleich einen halben Meter in die Höhe wuchs, drückte man ihm sein G3 in die Hände. Panzerfaust und Maschinengewehr ließen manches Augenpaar so richtig auf leuchten. Ich kann mich auch noch an jene denkwürdige Begegnung auf einem verschlafenen Bahnhof nahe Walsrode erinnern, das liegt jetzt etwas mehr als zehn Jahre zurück, da machte ich just meine ersten Erfahrungen als ´Dorfschulpauker´ – und wunderte mich nicht schlecht. Ein Zeitsoldat wartete gleich mir auf den verspäteten Anschluss. Wir kamen ganz locker in´s Gespräch. Das übliche, eher peinliche ´Veteranen-Gebrabbel´. Irgendwann rieb sich mein Gegenüber die Hände. Demnächst, so frohlockte er, käme mal so richtig Kohle rein. Er habe sich nämlich freiwillig nach Afghanistan gemeldet. Ich ließ mir die Verdreifachung seines Gehaltes vorrechnen und erinnerte ihn ganz scheu daran, dass es drüben eventuell auch mal gefährlich werden könne. Diesen Einwand bügelte er mit lässiger Geste ab:“ Hauptsache die Kohle stimmt. Außerdem sind wir doch hundertmal besser ausgerüstet wie die Zigeuner da.“

Man muss Begegnungen dieser Art freilich im Kontext bemühen und sich gleichzeitig immer darüber im Klaren bleiben, wie ahnungslos man selbst noch ist – und bleibt. Uns alle lenkt und ´denkt´ der Zeitgeist. So bleibt auch Mali ein Buch mit sieben Siegeln. Die verbliebenen Mausoleen von Timbuktu wirken heute wie stumme Mahnmale. Dieser Ort blieb nicht der einzige, dem muslimische Fundamentalisten ihren nihilistischen Stempel aufdrückten, indem sie verbliebene Stätten zum Teil dem Erdboden gleichmachten. Auf ihrer Flucht vor den siegreichen französischen Truppen setzten die Auserwählten schnell noch die alte Bibliothek in Brand. Wer erinnert sich noch daran. Wen kratzt es auch. Bataclan ist uns, nicht einzig der Opfer wegen, näher als die einstige Metropole islamischer Gelehrsamkeit im Wüstensand. Europäische Gelehrte interessierten sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend für den historischen Ort. Solches kennzeichnete damals einen echten Trend. Es waren Forscher vom Schlage Heinrich Barths, die das wüste Erbe sorgsam freilegten und so im Grunde vorzeitig den kulturellen Archetypus ansässiger Völker weckten, die dann ihrerseits im Zuge kolonialer Befreiung nationales Pathos und tradiertes Selbstverständnis miteinander vermählten. Ganze Forschergenerationen legten eine antike Stätte nach der andern frei. Die beindruckenden Rudimente, frisch aufgeputzt, werden von der Muslim-Mafia einfach wieder weggeputzt.

Zurück in die Gegenwart, zurück an die Peripherie. Frankreich ist ja nun, Irrtum ausgeschlossen, vom IS – eine Meuchel-Mafia, die sich Staat nennt – angegriffen worden. Das hat einmal mehr den Bündnisfall ausgelöst. Die entsprechenden Beistandsverpflichtungen kann man allerdings wie Kaugummi dehnen. Wir haben es erlebt, mehrfach. Unterstützung des Partners: das mag so viel (und im Ergebnis allzu wenig) heißen. Also schickt Deutschland demnächst Bodentruppen in ein vermeintlich befriedetes Gebiet während dort, wo´s wirklich brennt, keiner die Hand in´s Feuer legt. Wer traut sich schon gegen IS zu Felde zu ziehen. Wer traut auch irgendeiner der Milizen, die dort ihrerseits das Feld bestellen. Wir rüsten also lieber die Kurden auf, was automatisch Ankara dazu veranlassen wird, den Schlamassel noch weiter anzuheizen, und wenn man die diffuse Gemengelage auch hier im Querschnitt betrachtet dann kann man nur ratlos mit den Achseln zucken und feststellen: nichts stimmt.

Der islamische Staat erinnert auf der Karte an ein wirres, ausgelaufenes Blutgerinnsel. Das ist auf einen Blick gar kein zusammenhängendes, in sich schlüssiges Gebiet, es gleicht in solcher Perspektive eher den ekligen Spritzspuren eines mit Kopfschuss gerichteten Menschen. Sie bezeichnen eine absurde, irgendwie ziellos ausufernde Schlingerbewegung, die jenseits der größenwahnsinnigen Ansprüche, die sich dahinter verbergen, in seltener Deutlichkeit den weiteren Verlauf vorweg nehmen. Solches kennzeichnet im Grunde die ganze grausige Erscheinung: ihren Autismus und die bis zum Platzen gesteigerte Wahnvorstellung, sämtliche vorhandenen Strukturen aufzulösen um die verbliebene Substanz in Fesseln zu legen. Nichts darf mehr frei atmen, nur die Metastasen wuchern munter aus. Um beim abstoßenden Vergleich zu bleiben: wenn man den IS als tödlichen Infektionsherd betrachtet und sich überlegt, wie man die übrigen Keime in wirksame Antikörper verwandeln könnte, dann hat man, buchstäblich, die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Dann lieber rein in den riesige Norden Malis, mit etwas über tausend SoldatInnen. Die´s richten werden. Wer von den Abkommandierten weiß schon über die Verhältnisse in Mali Bescheid? Das Brüsseler Viertel Molenbeek kannte vor dem 13.11 auch keiner. Über Nacht wusste auf einmal jeder: dort residiert das Böse. Von einer islamistischen Hochburg ist seitdem ständig die Rede, aber dann müsste man auch Marxloh, Neukölln oder Minden Rodenbeck in den Club aufnehmen. Wer will denn schon zugeben, dass es sich im Falle Molenmurks auch nur um ein weiteres, im Grunde unauffälliges Zuwanderer-Viertel handelt, dass die Attentäter da ganz normal zur Schule gingen und ihren ´Verrat´ nicht in der Burg, eher im Keller ausheckten. Dass dauernde Geschwiemel vom Problem-Ghetto, strotzend vor benachteiligten Jugendlichen, um die sich keiner mehr kümmert, kommt mir einfach zu billig vor. Wie sieht das Elend aus? Die meisten dieser Jugendlichen tragen teure Markenklamotten, passend zum überkommenen Gangster-Style, sie marschieren recht selbstbewusst ihre Bezirke ab, verkloppen Gras für gutes Geld und hängen von morgen bis abends am Smart-Phone. Spiegelt das die extremen Verhältnisse, von denen immer die Rede ist? Und immer im Brustton der Überzeugung, mit dem erhobenen Zeigefinger, maulend und mahnend, als müsse sich der belgische Staat schon vorab entschuldigen, für alles Mögliche und darüber hinaus. Die ZEIT faselt, schielt sich nach Belgien, unentwegt von der ´verlorenen Generation´, als gäbe es nicht spätestens seit den frühen Neunzigern in jedem Stadtteil Ausbildungs-Scouts, Zuwanderungs-Betreuer und Sozial-Begleiter im gärenden Überschuss. Ja, es fällt schwer sich das einzugestehen: Kolonnen von Street- Workern wurschteln vor Ort, an jeder Ecke; in jedem der staatlich geförderten Jugendzentren bieten sie ihre coolen, Anbiederungsgeilen Programme an, aber dennoch bleibt am Ende allen fremd, was keiner zu Ende verstehen kann oder möchte, denn man baut auf Sand: hüben wie drüben. Wer sich anmaßt, im riesigen Norden Mails auf zivilem Wege für klare Verhältnisse zu sorgen, der blamiert sich auf Anhieb, will ihm das nicht einmal in einem lausigen Stadtteil gelingen. Wer – das sind einmal mehr wir. Ich weiß es von Bekannten: die Streifenpolizei von Marxloh traut sich kaum noch, Strafzettel fürs Falschparken zu verteilen, weil ihre Vertreter dann jäh mit einem Aufgebot der betroffenen Großfamilie zu kämpfen hätten. Deren Angehörige ziehen ihre Messer schneller, als die Beamten den Rückzug antreten können. Mag der Herr Kiesewetter demnächst über einen Marshall-Plan für die gesamte Sahelzone nachgrübeln: der Herr Wendt von der Polizeigewerkschaft wird weiter betteln – um mehr Geld. Er schafft das – schon seit Jahren.

Wie sang, – und klanglos haben sich in den letzten Monaten die üblichen Ränke und Zänke auf merkantilem Felde bei uns in Europa erledigt. Diese Hysterien sind im Schatten geostrategischer Rigorosa durch neue ersetzt worden. Wer redet jetzt noch von der West LB, von diversen Rettungspaketen und dergleichen mehr? Oder nehmen sie unseren NATO-Partner, die post-kemalistische Türkei. Wer von den verantwortlichen Politikern mahnt derzeit Pressefreiheit und Menschenrecht an? Bloß keine ´Partner´ verärgern. Erst recht nicht, nachdem Frau Merkel kurz vor einer Wahl ihren Kotau beim Kalifen machte, weil sie allen Ernstes glaubt, das stimme diesen soweit gnädig, dass er nicht gleich wieder das nächste Gros allerorten unerwünschter Flüchtlinge Richtung Europa durch. In Wahrheit sind wir erpressbar geworden, eine leichte Beute für Barbaren.

Der Platz zwischen Stühlen bleibt der Honorigste. Wenn ich den Interventionismus der letzten Jahre auch nach wie vor kritisch sehe: die bequeme Abwehrhaltung im Sinne einer konsequent pazifistischen Grundeinstellung können wir uns jetzt auch nicht mehr leisten. Leider versteht das von denen, die darauf beharren, keiner. Aber wie das knifflige Problem insgesamt lösen? Die Geschichte lehrt, dass allzu viele verpasste Gelegenheiten der Fassade reichlich zusetzen: irgendwann erübrigt sich jede weitere Kosmetik. Wer hätte anno 43 noch gemahnt, den Faschismus in Europa ´auszutrocknen´ – ´seine Ursachen zu bekämpfen´? Hitler und Versailles – der IS und Camp Bucca: sie gehören zusammen, sicher – aber das bringt uns nicht weiter. Damals wie heute standen zivilisatorische Errungenschaften auf dem Spiel. Der Vater aller Türken, weiland Atatürk, war sich sicher, dass es nur eine einzige Zivilisation überhaupt gäbe: die europäische. Ob es den Epigonen in naher Zukunft gelingt, daran anzuknüpfen bleibt immerhin fragwürdig.

Mancher mag die von mir gewählte Überschrift für hergeholt halten. Deutschland im KRIEG – fehlt da nicht wenigsten das Fragezeichen? Die drei Pünktchen hätten es vielleicht auch auf den Punkt gebracht. Ich habe mir beides vorsorglich geschenkt. Denn in Wahrheit wird schon bald ein knüppeldickes Ausrufungszeichen angebracht erscheinen; spätestens dann, wenn die Verrückten dieser Welt in Berlin, Köln oder München das nächste Fanal vollzogen haben.

Shanto Trdic, 01.12.15

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118 Antworten zu Deutschland im Krieg

  1. schum74 schreibt:

    Wie der Zufall es will: Maariv (16.12.2015) widmet dem Neuen aus Großbritannien einen zurückhaltenden Artikel. Und zwar hat R. Ephraim Mirvis (so die richtige Schreibweise) den jüdischen Schulen empfohlen, Islam-Unterricht einzuführen. Allerdings nicht gerne.

    Eine Regierungsinitiative verpflichtet nämlich alle britischen Schulen, ab 1. September nächsten Jahres, „eine zusätzliche Religion“ in den Lehrplan aufzunehmen. Wegen Toleranz und so.

    Muss die zusätzliche Religion denn Islam sein? Warum nicht Hinduismus oder Jainismus? R. Mirvis zum neuen Fach: „eine Gelegenheit, einen Glauben kennenzulernen, der absolut unverständlich und unbekannt ist“.

    Unverständlich schon, unbekannt nicht, möchte man spätestens nach den Hebron-Massakern 1929 meinen.

    Ansonsten scheint Mirvis das richtige Zeitgeist-Profil mitzubringen: Refugees-Welcome bis der letzte Jude Asyl in Israel gefunden hat; Abbas-Position zu den „Siedlungen“: Haben denn die Fantastinenser kein Recht auf Judenreinheit? Ob Mirvis auch mit BDS flirtet, ist unbekannt.
    Hauptsache, du wirst von den Richtigen geliebt, nicht?

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      • Aristobulus schreibt:

        Waah. Danke, ma chère, dass Du mich der sauren Pflicht enthebst, nunmehr den Artikel im Londoner Jidnblettl lesen zu müssen, denn aus dem, was Du über Mirvis‘ Äußerungen gefunden hast, resultiert eindeutiges Mode-Dhimmitum, und also wird er so ziemlich todsicher seine Jarmulke versteckt haben, um die dauergedemüigten Mohämmischen nicht mit dem Symbol des zionistischen Imperialismus zu überfallen, usw., usf.

        Der hätte nichtmal eine Aufforderung benötigt, nicht?
        Er hätte janz von alleene den Herrenmenschen den Respekt erwiesen, der ihnen gebührt.
        Seine Tragik (nun ja, sone halbe Heultragik, beieibe keine richtige Tragik!, mehr sone endlos-Schietwetter-und-nasse-hässlicheSchuhe-und-kein-Geschmack-Vierteltragik, die zu Kattarrh und Rheuma und zu grobgemusterten Schottenkaros führt), dass sie ihn trotzdem nicht lieben werden.
        Nie.
        Weil sie ihn für seine Unterwürfigkeit ganz besonders verachten.
        Also isses doppelt tragisch für ihn, einmal wegen Liebesmangels, einmal wegen selbstverschuldeter Verächtlichkeit 🙂

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      • schum74 schreibt:

        Eine ganze Heultragik ist schon zu erkennen, aber nicht die des Ephraim Mirvis, sondern die des englischen Judentums, nicht? Chief Rabbi wird man nicht durch Staatsstreich. Hinter der Ernennung stehen einflussreiche Persönlichkeiten, die in einem bestimmten Kandidaten den idealen Vertreter ihres Weltbildes sehen.

        Schade, dass das Buch von Benjamin Tammuz „Ha-Sikit we-ha-Samir“ ‒ Chamäleon und Nachtigall (1989) keinen Übersetzer gefunden hat. Es passt unheimlich genau auf unsere Zeit.
        Darin rollt der früh verstorbene Autor die 3000jährige Geschichte einer jüdischen Familie auf. Wie unterschiedlich nach Sprache, Beruf und Kostüm die Awramsohns auch sein mögen, sie zerfallen in zwei Kategorien: in die „Chamäleons“ und die „Nachtigallen“.
        Um zu überleben ist der Chamäleon zu jeder Anpassung, zu jedem Verrat an sich und an anderen bereit; die Nachtigall kann nicht anders, als ihre Eigenheit, ihre besondere Tradition zu behaupten, und koste es, was es wolle.

        Diese Einteilung greift natürlich auch bei Nicht-Juden, nur dass sie bei Juden öfter greift, wie sie überhaupt erst bei Gefahr an Bedeutung gewinnt. So kann man wieder, wie in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts und in den sozialistischen Ländern, deutlich sehen, wer unter den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu den Chamäleons und wer zu den Nachtigallen gehört.

        Ich schätze, dass sich Mirvis in Mazedonien für seine Taktlosigkeit entschuldigt haben wird: Dass er nicht selbst darauf gekommen ist, dass sich eine Kippa vor Muslimen nicht gehört! I beg your pardon!

        Chamäleon, verächtlicher!

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      • Aristobulus schreibt:

        Wahrscheinlich ist ihm nu nach authentischem nachtigallischem Schluchz‘ zumute, allein er traut sich nicht, denn aufgesetzt zu schillern ist billiger 😀 😦

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      • Clas Lehmann schreibt:

        Aber müsste für die Position nicht auch ein gewisses Maß an Bildung angenommen oder vorausgesetzt werden? Und sollte sich aus der nicht doch ein Blick auf das, was Islam ist und zu bedeuten hat, ergeben? Schon ein nicht chieflicher Rabbi wäre, meinem Vorurteil zufolge, ein gebildeter Mann, und ein urteilsfähiger dazu…

        Hier nun aber…? Diese Geste unendlicher Demut…? Ist das die Annäherung an das Christentum?

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      • Aristobulus schreibt:

        Das ist einfach Dhimmitum, Clas. Ghettomentalität. Den Kopf in den Sand stecken und meinen, es werde schon gutgehen, wenn man den Gojischn nach dem Mund redet und so tut, als würden sie einen dann mögen!, und wenn’s nicht gutgeht, wird man immerhin dann nicht als Erster abgeholt.

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      • Clas Lehmann schreibt:

        Aber dieses nach dem mutmaßlichen Munde wessen auch immer zu reden: ist das nicht christlich gesprochen? Bei den bösen Nazis gab es die Deutschen Christen und den Konkordat… heute holt man bewirkenderweise die Menschen da ab, wo sie stehen…

        Dasse in Wirklichkeit haltlos hingelümmelt fläzen, merkt man nicht, und dass man selber eigentlich ununterscheidbar von dieser Nichthaltung zum Beliebigkeitspreisanwärter mutiert, eben so wenig. Man sagt: „Die Menschen“ und willse abholen, zur Not in Mazedonien…

        Dass sie auch nicht mitkommen, wenn man sie abholt, zumal wenn man nicht mehr weiß, wohin man mit ihnen wollte: Na gut, dann bleibt man eben bei den Menschen, da wo sie sind und bewirkt da.

        Das Wort chief da fehlt ja im Deutschen ein kleines s, in der Schriftform. Gesprochen hört man dieses s kaum.

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      • Dante schreibt:

        Aber dieses nach dem mutmaßlichen Munde wessen auch immer zu reden: ist das nicht christlich gesprochen?

        Nein.
        Natürlich gehört es durchaus seit Langem zur realchristlichen Praxis, mit den Mächtigen zu paktieren, besonders wenn sich diese Mächtigen selbst Christen nennen, aber einem christlichen Ideal entspricht das nicht. Selbst die (durchaus interpretationsfähige) Aussage, dass man seinen Feind lieben und jemandem, der einem die rechte Wange schlägt, auch die linke hinhalten solle, hat nichts mit mach-dem-Mund-reden zu tun, und auch die berühmt-berüchtigte Stelle aus Römer 13 („Seid Untertan der Obrigkeit…“) bedeutet nicht „redet dem Mächtigen nach dem Mund“.
        Die christlichen Märtyrer der ersten Jahrhunderte legen Zeugnis (nichts anderes bedeutet übrigens das Wort μαρτύριον) davon ab.

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      • schum74 schreibt:

        „Aber müsste für die Position nicht auch ein gewisses Maß an Bildung angenommen oder vorausgesetzt werden? Und sollte sich aus der nicht doch ein Blick auf das, was Islam ist und zu bedeuten hat, ergeben?“

        Chiefliches jetzt beiseite: Was für eine Bildung erwartet man von einem Rebben? Tojre aus dem Effeff und Weltliches, oder nur Tojre? Kommt darauf an, wen du fragst.

        Bekanntlich hat sich Moses Mendelssohn in Deutschland als Erster für eine Aufnahme der weltlichen Fächer in den jüdischen Lehrplan stark gemacht. R. Samson Raphael Hirsch (1808-1888) ist ihm mit Begeisterung gefolgt. R. Hirschs Motto: ‚Tora im Derech Erez‘ (was der Raw Amitaï Allali mit « la tradition en même temps que l’engagement dans le monde » übersetzt) dürfte heute Mehrheitsposition sein: Sinai + Aristoteles & Co.

        Heißt natürlich auch Mosche + (*widersteht der Versuchung, ‚lehawdil‘ hinzuzufügen*) Jesus, auch wenn die Auseinandersetzung mit dem Judentum kein Bisschen Kenntnis des Christentums voraussetzt (während umgekehrt…, nicht wahr?).
        Doch Mosche + „Massenmörder Mohammed“ (Abdel-Samad)? Muss ein Rebbe den Koran gelesen haben, um halachische Entscheidungen zu treffen? Dazu nicht, aber um die Gegenwart zu verstehen, um Überlebenschancen auszuloten.

        Aber hier drückt der Schuh. Nicht nur fromme Juden, auch Nichtjuden weigern sich, den ver- (*bitte selbständig ergänzen*) Koran und paar Dutzend Hadithe, sagen wir, zu lesen. Einfach zu langweilig. Wollen wir wetten, dass Chief Mirvis den Koran ebenso wenig kennt wie der islamophile Ex-Premierminister Alain Juppé, der in einer Fernsehdiskussion mit Michel Onfray im März dieses Jahres zugegeben hat:

        « Je vais vous dire, j’ai commencé à le lire [le Coran], et c’est illisible. » ‒ Ich habe angefangen, ihn zu lesen, und das ist unleserlich.

        Wo Juppé Recht hat… Aber dann hält man sich bei allem Muslimischen bitte zurück und erklärt nicht unter dem Applaus anderer Ignoranten, dass Scharia zur Republik passt.

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      • schum74 schreibt:

        „Aber dieses nach dem mutmaßlichen Munde wessen auch immer zu reden: ist das nicht christlich gesprochen?“

        Seit wann haben Christen das Monopol auf Feigheit?

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      • schum74 schreibt:

        Nachwirkung eines Kommentars.
        Niemand hat ein Monopol auf Feigheit, wollte ich noch hinzufügen, und auf Adam und Eva hinweisen, aber dann fiel mir keine einzige Tora-Gestalt ein, die man als feige bezeichnen könnte.

        Ambivalente Helden wie Jizchaks Bruder Jischmael oder Jaakows Bruder Essaw oder Jaakows Onkel Lawan haben nach der Tradition alle möglichen Eigenschaften, doch Feigheit gehört nicht dazu.

        Jaakow Awinu hat zwar öfter Angst – vor Essaw, der geschworen hat, ihn umzubringen; vor Lawan, der ihn immer wieder betrogen hat; vor der Umsiedlung nach Ägypten ‒, aber feige ist er nicht. Er handelt trotz der Angst.

        Jaakow nennt den Gott seines Vaters „Pachad Jizchak“ (Jizchaks Angst oder Jizchaks Schrecken), doch sieht man nirgendwo, dass Jizchak feige gewesen wäre. Und bei dem, was ihm auf dem Berg Morija passiert ist, kann man gut verstehen, dass er hm auf gesunden Abstand von dem Höchsten hielt.

        Kurz, ich finde keinen Feigling. Du? Merkwürdig. Feigheit ist doch ein urmenschliches Motiv, wieso kommt es in der Tora nicht vor? Oder liegt es an der späten Stunde?
        Nicht einmal Google fällt auf die Stichworte ‚Tora Feigheit‘ (auf Iwrit) irgendwas Brauchbares ein. Hm. À suivre.

        Schönes Wochenende und gut Schabbes allerseits.

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      • Dante schreibt:

        Niemand hat ein Monopol auf Feigheit, wollte ich noch hinzufügen, und auf Adam und Eva hinweisen, aber dann fiel mir keine einzige Tora-Gestalt ein, die man als feige bezeichnen könnte.

        Hat nicht Adam feige gehandelt, als er sich sozusagen hinter Chavas Rücken versteckt hat? Könnte man Avraham seine Vorsicht, die ihn Sarah als seine Schwester hat ausgeben lassen, als Feigheit auslegen, wenn man böse will?
        Wie ist es mit dem Pharao, der befahl, die Knaben der Hebräer zu töten? Ist nicht gerade Grausamkeit oft ein besonderes Zeichen von Feigheit?
        In anderen Teilen der Bibel, die nicht zur Tora gehören, gibt es durchaus Beispiele für Feigheit; für das Neue Testament fällt mir als Erstes Petrus ein, der Jesus drei Mal verleugnete.
        Um gelegentlich feige zu handeln, muss man im Übrigen nicht unbedingt grundsätzlich feige sein.

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      • Clas Lehmann schreibt:

        Ja à suivre…. Aber mir ging es nicht so sehr um Feigheit, sondern um einen Mangel an Eigenem, von Bevorzugung des Eigenen ganz zu schweigen. Um die Unfähigkeit, Grenzen zu sehen oder zu setzen… Um das zu können, muss man ja beide Seiten kennen, auch verstehen. Nicht aber das Eigene aufgeben in lauer Substanzlosigkeit.

        Interreligiöser Multilog ist ja vielleicht eine gute Sache; man muss aber doch wissen, mit wem man da so spricht, und was der sonst so liest, denkt, verlautbart und womöglich auch lügt….?

        Eine religiöse Entität, der über eine Milliarde Menschen angehören, und die sich doch gelegentlich schon missverständlich über das Existenzrecht von Juden geäußert hat, sollte doch einen Rebben soweit interessieren, dass er diese Mißverständlichkeiten zu durchdringen wünscht…? Zumal ja bei näherem Hinsehen vieles davon sehr verständlich wird, im Sinne von j’ai compris. Et j’en ai plein.

        Und: Dass er nun einer dergestalt orthodoxen Schule entstamme, dass er das alles für verboten oder unwürdig der Beschäftigung hielte: Danach sieht das, was er da so macht, nicht aus. Gibt es solche Schule überhaupt noch?

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      • Bachatero schreibt:

        @Clas: Hier nun aber…? Diese Geste unendlicher Demut…? Ist das die Annäherung an das Christentum?

        Mose aber war ein sehr demütiger Mann, demütiger als alle Menschen auf der Erde.
        4. Mose, Numeri 12, 3 (Christen AT).

        Die Käßmann Version würde sicher sehr lutheranisch lauten: Wir müssen ‚die Menschen“ ein Stück weit begleiten und sie dort abholen, wo sie stehen, so sie es noch können. Wie weit das Stück dann letztlich ist, das hängt von der Demut ab, oder, Chamäleon? Hier in D. gibt’s bei so was ja momentan keine Obergrenze an Weite, aber bei den Briten?

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      • schum74 schreibt:

        Stimmt, Dante. Adam versteckt sich feige hinter Chavas Rücken. Der allererste Mensch handelt feige – was denn sonst? Ahnte ich doch: Wo es um Menschliches-Allzumenschliches geht, lässt die Tora Einen nicht im Stich.

        Wunderbar übrigens, der Raschi-Kommentar an dieser Stelle. Dem maître aus Troyes (11. Jh.) fällt nämlich was anderes auf: „kan kafár be-Towá“ – hier zeigte sich Adam ha-Rischon undankbar.

        כאן כפר בטובה

        Undankbar wofür? Für die Frau, die ihm zuteil wurde, und für den Gefallen, den sie ihm erwiesen hatte. Dieses Wissen um Gut und Böse erhob sie nun beide über den Tierzustand. Felix culpa? Ja, auch für die Juden, die aber im Verzehr der Frucht vom Wissensbaum (Ez ha-Daat) keine Sünde sehen.
        Bedankt man sich nicht drei Mal täglich im Hauptgebet für genau dieses Wissen? „Baruch … chonén ha-Daat“ – der du das Wissen schenkst. Dasselbe Wort.

        Was Awram anbelangt, der Ssaraj darum bittet, sich in Ägypten als „meine Schwester“ auszugeben, damit die Ägypter ihn nicht umbringen: Die meisten Kommentatoren bescheinigen Awram eine realistische Einstellung. Wohl konnte man damit rechnen, dass einige Einwohner sich um die freie Hand des schönen Mädchens bewerben und die beiden solange in Ruhe lassen würden. (Altersangaben zu Beginn des ersten Genesis-Buches größtenteils symbolisch) Auf die Idee, dass man Ssaraj rauben würde, ist er nicht gekommen.

        Ausdrücklich merkt R. David Kimchi (1160-1235) dazu an: „Es steht einem Gerechten gut zu Gesicht, an einem gefährlichen Ort sich nicht auf Wunder zu verlassen, sondern auch durch List auf sich acht zu geben.“ Und hier zitiert er Mischle (Sprüche) 28, 14: „Aschré Adam mefachéd tamid“ – Glücklich der Mensch, der immer Angst hat.

        Es lebe Schlomo ha-Melech!

        Im Übrigen war Ssaraj tatsächlich Awrams Halbschwester. Diese Bindung und die der anderen Patriarchen wurden erst am Sinai verboten.

        Auch R. Mirvis stünde gut zu Gesicht, sich unter Mohämmern nicht auf Wunder zu verlassen. Zumal sie sich „schon missverständlich über das Existenzrecht von Juden geäußert“ haben. Herrlich, Clas!

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      • Dante schreibt:

        Auch R. Mirvis stünde gut zu Gesicht, sich unter Mohämmern nicht auf Wunder zu verlassen.

        Das hieße freilich, tatsächlich auf die Kippa zu verzichten. Dann allerdings sollte er auch aufs Hingehen verzichten. Ich hätte das getan. Wen ich durch das, was ich bin, beleidigen kann, muss auf mich verzichten.

        Zumal sie sich „schon missverständlich über das Existenzrecht von Juden geäußert“ haben.

        Der müsste erst recht auf mich verzichten. Und, natürlich, auf meine Hilfe.

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      • schum74 schreibt:

        An Bachatero

        Die Frage verdient es wirklich, gestellt zu werden: Wie kommt es, dass Demut als christliche Tugend gilt, obwohl sie zuerst ein jüdisches Ideal war und ist? Anawá: große Sache, die. Wird Verstorbenen in Trauerreden gerne nachgesagt, und zwar unabhängig von der Lebensführung. Weil sich das gut macht, gerade bei wichtigen Leuten.
        Zwar klingt in jüdischen Ohren ‚Bescheidenheit‘ besser als ‚Demut‘, aber das ändert nichts an der Frage.

        Tatsächlich wird das Thema im Judentum unter verschiedenen Aspekten diskutiert. Und zwar geht es darum, echte Anawá sowohl von falscher Bescheidenheit als auch von Bescheidenheit am falschen Platz abzugrenzen.

        Erinnerst Du Dich an die Inthronisation des armen Königs Schaul? Zunächst versteckt er sich in irgendeinem débarras, so dass man ihn lange suchen muss. Aber im Laufe seiner Amtszeit kommt es schlimmer – so schlimm, dass Schmuel ha-Nawi ihn regelrecht abkanzeln muss:

        ויאמר שמואל הלוא אם קטן אתה בעיניך ראש שבטי ישראל אתה (שמואל א טו, יז)

        Haló im katón atá be-Enécha Rosch Schiwte Jisrael atá.

        [Auch wenn du in deinen [eigenen] Augen klein bist: Bist du nicht der Anführer der Stämme Israels? (1 Sam 15, 17)]

        Man darf im eigenen Namen unsicher, ängstlich, ungenügend sein; aber nicht im Namen des Kollektivs, das man vertritt. Politiker haben das Recht, privat vor Mohämmern zu zittern, aber nicht in Vertretung ihrer Völker. Mag „Isch Mosche“, der Mensch Mosche, noch so anáw gewesen sein: Der Manhig Mosche, der Anführer, war das kein Bisschen; nicht vor Pharao und nicht vor Amalek.

        Magst Du einen Gegentypus zu Mosche Rabenu kennenlernen? Aber attention! Ich sage nicht, dass die Beschreibung auf R. Ephraim Mirvis passt. Wie könnte ich? Von Letzterem weiß ich nur, dass er die jüdische und hm vielleicht männliche Version der Bischöfin Käßmann ist.

        Nein, der Talmud erzählt eine starke Geschichte um Jarow’ám (Jeroboam), der Salomos Königreich hat auseinanderfliegen lassen. Der erste König des Nordreichs? Ja, eben der. Der die zehn Stämme zur Anbetung von zwei Kalbsstatuen verführt hat:

        Hine Elohécha Jisrael aschér heelúcha me-Erez Mizrajim – Hier ist dein Gott, Israel, der dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat.
        So was hört unsereiner gern. 😈

        Stellt sich R. Abba vor, dass Jarow’am in Anbetracht früherer Verdienste vom Kadosch-baruch-hu aufgefordert wird, seine Missetaten zu bereuen.
        Fasst der Kadosch-baruch-hu den König am Mantelzipfel und sagt: „Kehr um! In diesem Fall werden wir, du, ich und der Maschiach Ben David zusammen im Gan Eden spazieren“. – „Und wer wird an der Spitze sein? (Mi ba-Rosch?)“, fragt Jarow’am. – „Ben David wird an der Spitze sein.“ – „Wenn’s so ist, dann nicht“. (Talmud Bawli, Sanhedrin 102a)

        So viel zu jüdischer Demut 🙂

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      • schum74 schreibt:

        P.S. Eben sehe ich, dass Dein AT-Satz unglücklich übersetzt ist. Oben heißt es:

        „Mose aber war ein sehr demütiger Mann, demütiger als alle Menschen auf der Erde.“

        Nein, nein: Es fehlt das wichtige Wort „Isch“. Darum dreht sich ja alles:

        וְהָאיש משה עָנָו מאד מִכל האדם אשר על פני האדמה.

        We-ha-Isch Mosche anáw meód mi-kol ha-Adam aschér al-Pne ha-Adama.

        Man beachte: Nicht „mi-kol Adam“ (als jeder Mensch, oder wie hier wiedergegeben: als alle Menschen), sondern „mi-kol ha-Adam“: bescheidener als jeder ganze Mensch – Diskussionen, Diskussionen…

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      • Aristobulus schreibt:

        Ojwej, B’scheidenheit. Das öffentliche Mahnen zur Bescheidenheit (jüdischerseits) hab ich bislang ausschließlich von manchen Rabbinern gehört, und zwar just von denen, die gern selber Macht ausüben und selber gern über Andere bestimmen. Da war dann die Rede von Bescheidenheit, jener edlen Tugend, an der es Andere fehlen ließen. Weswegen solche Reden (jede dieser Art, die ich so erlebt habe) ebenso moralisierend wie nicht Ernst zu nehmen gewesen ist 🙂

        Schaul HaMelech freilich, der Bescheidene, hätte bei der Gelegenheit öffentlich gesagt: He, Leute, warum schleicht ihr so still durch die Gegend?, das habt ihr doch nicht nötig.

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      • Bachatero schreibt:

        „He, Leute, warum schleicht ihr so still durch die Gegend?, das habt ihr doch nicht nötig.“

        Da hast Du trefflich unsere Besorgnis über die Demut zusammengefaßt. Schleicher, bei denen Demut die Tochter, Unterwürfigkeit jedoch die Mutter der Zurschaustellung ist. Knie rutschende Mönche, mit Tonsur und schräg nach links oben gerichtetem Ikonenblick, fallen mir bei Demut ein (aha, wiedermal die Christen). Bescheidenheit ist von dieser Welt, eine Haltung, die durch Einsicht in die Verhältnisse entsteht und mit Gewinn gelebt werden kann. Demut (hier senke ich demütig den Blick) ist von oben, wenn man dem Herrscher nicht in die Augen schaut, dann ist man demütig, oder vielleicht nur hinterlistig? Auch Du, mein Sohn Brutus? Demut führt schnell zur Skoliose und beeinträchtigt die Lebensqualität u.U. beträchtlich, manchmal so stark, daß man nicht mal mehr seine Kopfbedeckung tragen kann oder mag, vor lauter Demut. Allerdings ist ‚die neue Demut‘ ja schwer im Kommen. Ich empfehle hier bei Amazon

        Wer’s liest schicke mir bitte eine kurze Zusammenfassung denn möglicherweise könnte Noni auch ruhig mal etwas demütiger werden?

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      • Aristobulus schreibt:

        Jemineh, über just diese Art von Demut fand sich vor Zeiten in meinem Bücherschranke ein ominöses Buch über Wasserspiele, aus welcher Tiefe stammte dieses?, und es troff von der äußerst Demut des alleräußersten Durchnässtseins 😀 , ach die Achtziger, da materialisierte sich sowas im Bücherschranke.

        Ferner zur Demut, Demütigkeit, Selbstsenkungen, Selbstheiligungen, gesenkten Madonnenblicken usf. fällt mir nur noch der arme Guido Reni ein. Hach der. Nicht von Ungefähr isser der Lieblingsmaler aller Kitschköpfe, die ihn für echte hehre Kunscht halten, auch Navid Kermani, der sanfteste Scharfmacher seit Abu-Bakr, hält ihn a) für Kunscht und b) überhaupt für Malerei.

        (Und bidde, Bachatero, ersparst Du mir jetzt das Setzen von Links zu diesen demutsdurchseichten Blicken vom Guido Reni?, ah, danke, dass Du es mir ersparst 🙂 )

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      • Bachatero schreibt:

        Hast Glück, daß ich kein Unterworfener der ‚Neuen Demut‘ bin, sonst würde ich Dir’s nicht ersparen. 😉

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      • Bachatero schreibt:

        WO Du ihn schon ins Spiel bringst, hier die neugeeichte 12 (13) stufige Guido Renzi DemutSkala:

        1-Total undemütig (kennt nicht mal das Wort)
        2-Aufsaessig
        3-Gibt Widerworte
        4-Denkt selber
        5-Hoert schon mal zu
        6-Laesst andere auch mal was sagen
        7-Lenkt öfter ein
        8-Neigt zu häufigen Bibelzitaten
        9-Schaut beim Reden oft in die obere linke Raumecke
        10- Ikonisierter Guido Renzi Vollblick 70% der Wachzeit
        11- Schlägt sich in unregelmäßigen Intervallen an die Brust und ächzt mea culpa
        12- Zieht bei Besuchen Andersgläubiger in Vorau7seilendem Gehorsam seine Kippa ab
        13- (Off Scale) Obama

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  2. Clas Lehmann schreibt:

    Demut und Bescheidenheit, vielleicht nicht nur als Mensch versus Funktionsträger, sondern auch: Wem gegenüber? Also: Endlich,und auch anders könnend, oder eben unendlich und damit angemessene Reaktion blockierend, hinieden?

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    • schum74 schreibt:

      Demut und Bescheidenheit – wem gegenüber? Klasse, Clas!
      Welcher Hundsfott wird sich vor Steinigern, Auspeitschern, Kopfabschneidern demütig zeigen?
      Erstbeste Antwort: Obama.

      Henryk M. Broder im Gespräch mit Alan Posener: „Ich kann mich nur an Obamas tiefe Verbeugung vor einem arabischen Potentaten erinnern, in dessen Reich geköpft und gesteinigt wird“ (Die Welt, 27.09.2014: „Ist Barack Obama wirklich nur ein Hampelmann?“).

      Obama, der sich vor Netanjahu aufplustert und ihn als domestique behandelt.

      Von Mosche Rabenu heißt es, er sei hart zu den Harten und weich zu den Weichen gewesen. Bei Obama ist es umgekehrt.

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      • Aristobulus schreibt:

        … ausnahmsweise hat Broder an der Stelle maßlos untertrieben: Es war keine tiefe Verbeugung mehr, es war ein véritabler Bückling. So ein richtiger neunzig-Grad-Bückling comme il faut, Abknicken in der Taille und zu den Hosen einen rechten Winkel bilden, sowas in der Art.
        Dafür hatte Obama geübt. Er ist der Typ für sowas.

        Broder war freilich zu fein, um den Namen des Potentaten zu nennen, vor dem Obama so ekelhaft demütig einknickte, aber ich bin’s nicht 🙂 , es war der bärtige, zinkennasige König Abdullah von Saudistan.
        Vor dem sich Obama in widerlicher Weise zum Häkchen machte.
        Und ich glaub‘ gar, er hat ihm dabei einen Kuss auf den Abdullah-Ring gegeben. *schudder*
        Hat er?

        Wer sowas tut, ist a) ein besonders lachhafter Untertan, b) ist ein besonders abstoßender Untertan, und c) ist er ein Verächter und Verhöhner der Werte und des Stolzes all Jener, die ihn in Freiheit zum Präsidenten gewählt hatten.

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